OTC-Hersteller dürfen Muster ihrer Produkte nur an Ärzte, nicht aber an Apotheken abgeben. Zu dieser Einschätzung kommt Giovanni Pitruzzella, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Seiner Ansicht nach ist der gesetzliche Rahmen „völlig klar“. Er sieht sogar erhebliche Risiken für die Pharmazeuten.
Hersteller dürfen Gratismuster laut EU-Richtlinie nur ausnahmsweise an die „zur Verschreibung berechtigten Personen“ abgeben – also an Ärzte und nicht an Apotheker. Erlaubt ist nur die kleinste Packung, die zusätzlich mit dem Aufdruck „unverkäufliches Gratisärztemuster“ versehen sein muss. Das Muster muss vom Arzt schriftlich angefordert werden; insgesamt darf der Hersteller Muster nur in begrenzter Zahl pro Jahr spendieren.
Damit ist laut Pitruzzella der Fall eindeutig: „Bei der bloßen Auslegung dieser Bestimmung sollte man sich an ihren Wortlaut halten, der […] völlig klar ist.“ Die kostenlose Abgabe von Mustern stelle eine außergewöhnliche Werbemaßnahme dar, die sich nur an „zur Verschreibung von Arzneimitteln berechtigte Personen“ richte. „Da im vorliegenden Fall die Absicht des Unionsgesetzgebers – wie ich meine – klar zum Ausdruck gebracht worden ist, haben wir es hier meines Erachtens nicht mit einem Fall zu tun, in dem der Gerichtshof einen gewissen Spielraum zur Rechtsfortbildung hätte.“
Die Zielsetzung der Vorschrift liegt laut Generalanwalt auf der Hand; die Beschränkung auf Ärzte beruhe „weder auf einem Zufall noch auf einem Versehen noch auf einer ungenauen Formulierung des Unionsgesetzgebers“. Zwar hätten Ärzte und Apotheker den gleichen Informationsbedarf; allerdings umfasse das Verbot ja auch nur Muster – andere Formen der Werbung gegenüber Apothekern als Angehörigen der Fachkreise sei weiter erlaubt.
„In diesem Zusammenhang halte ich auch das Argument, die Apotheker benötigten kostenlose Arzneimittelmuster, um die Arzneimittel testen zu können, bevor sie sie empfehlen, für geradezu utopisch, wenn nicht gar gefährlich. Wird ernsthaft davon ausgegangen, dass jeder Apotheker sämtliche von ihm angebotenen Arzneimittel persönlich testet?“
Dies sei offensichtlich nicht das, was im Erwägungsgrund der Richtlinie mit dem Sammeln von Erfahrungen bei der Anwendung der Arzneimittel gemeint sei. „Vernünftiger erscheint mir hingegen die Annahme, dass für Ärzte – die mit Arzneimitteln in der Regel nicht in Kontakt kommen – Gratismuster ein zweckmäßiges, wenngleich begrenztes, Mittel darstellen, sich mit den Neuheiten auf dem Markt vertraut zu machen.“
Laut Pitruzzella dienen die Beschränkungen der Werbung dem Zweck, eine unsachliche Beeinflussung der Fachkreise zu verhindern; entsprechend spiele das Interesse der Hersteller eine nachgeordnete Rolle. „Ich glaube nicht, dass der Unionsgesetzgeber mit der Information der Angehörigen der Gesundheitsberufe das Ziel verfolgen wollte, den Wettbewerb zwischen den pharmazeutischen Unternehmen zu stärken.“
Dabei könne „das wirtschaftliche Interesse an der Abgabe dringender sein als das Interesse an der Verschreibung“, so der Generalanwalt mit Blick auf den Ausschluss der Apotheker. Gleichzeitig werde durch das Verbot jegliche Gefahr einer Weitergabe an Endkunden unterbunden.
Weitergehende nationale Beschränkungen des Empfängerkreises wären laut Pitruzella übrigens unzulässig – die Mitgliedstaaten dürfen nur bestimmte Arzneimittelkategorien ausschließen. In § 47 Arzneimittelgesetz (AMG) ist geregelt, dass Hersteller Muster an Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte abgeben dürfen. Bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist der Bezugskreis erweitert um „andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde berufsmäßig ausüben“.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den EuGH in einem Streit zwischen Ratiopharm und Novartis um Vorabentscheidung gebeten. Der Generikakonzern hatte sein Schmerzgel im Sommer 2013 überarbeitet. Das Vorgängerprodukt war nach Angaben des Herstellers wegen seines Geruchs und der Verteilbarkeit von Apotheken bemängelt worden. Deshalb sollte der Außendienst das neue Gel direkt vorstellen. Weil die Apotheker die Tube mit 100 Gramm (N2) und der Aufschrift „zu Demonstrationszwecken“ behalten durften, mahnte der Voltaren-Hersteller Novartis den Konkurrenten ab.
Laut EU-Richtlinie ist es Herstellern verboten, im Rahmen der Verkaufsförderung für Arzneimittel den „zur Verschreibung oder Abgabe berechtigten Personen“ eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile gewähren, anbieten oder versprechen – es sei denn, sie sind von geringem Wert und für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang. Dazu werden dann die Vorschriften zu Mustern ausgeführt.
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