Der Mainzer Impfstoff-Pionier Biontech darf sich freuen: Bis 2023 kauft die Europäische Union eine weitere Riesenmenge Corona-Impfstoff von dem Unternehmen und seinem Partner Pfizer.
Der EU-Vertrag zum Kauf von bis zu 1,8 Milliarden weiteren Dosen Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer ist unter Dach und Fach. Dies teilte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Samstag auf Twitter mit. Die Menge soll bis 2023 geliefert werden. 900 Millionen Dosen sollen fest bestellt werden, weitere 900 Millionen Dosen sind eine Option. Damit sollen Impfungen von Erwachsenen aufgefrischt und die 70 bis 80 Millionen Kinder in der EU gegen das Coronavirus immunisiert werden. Der Vertrag hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein Volumen von bis zu 35 Milliarden Euro und bedeutet weitere Investitionen in Deutschland und Belgien.
Zwar sagt die EU-Kommission in der Regel offiziell nichts über die Kosten der gekauften Impfstoffe. Nach dpa-Informationen liegt der vereinbarte Preis je Dosis aber in der Größenordnung, die Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow zuletzt genannt hatte: etwa 19,50 Euro je Dosis. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte den Vertrag. Mit ihm werde sowohl für die notwendigen Nachimpfungen gesorgt als auch für die Anpassung des Impfstoffs an neue Virusvarianten. Von der Leyen sagte, man habe Klauseln vereinbart, wonach ein Teil der Menge gespendet oder weiterverkauft werden könnte. Dies solle auch dazu dienen, Nachbarstaaten der EU zu unterstützen. Es sei wichtig, jetzt zu investieren, um auch für mögliche Virusvarianten vorzusorgen.
Wie aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages hervorgeht, könnte Deutschland 165 Millionen Dosen aus der Bestellung der ersten 900 Millionen Dosen beziehen. Die Kosten dafür liegen demnach bei 3,83 Milliarden Euro. Die EU-Kommission verteidigte, dass der Preis höher ausfallen werde als bei den vorherigen Verträgen mit Biontech/Pfizer. Zuletzt hatte der Preis pro Dosis laut Borissow bei 15,50 Euro gelegen. Es gebe strengere Liefervereinbarungen, andere Haftungsregeln und Vereinbarungen zur Anpassung des Impfstoffes an neue Virus-Varianten, hieß es aus der Behörde. Außerdem zahle die EU künftig kein Geld mehr zur Produktionsförderung.
Von der Leyen hatte am 14. April angekündigt, dass mit dem deutschen Unternehmen Biontech und dessen US-Partner Pfizer über die Lieferung der Riesenmenge verhandelt wird. Die Gespräche zogen sich dann länger hin als gedacht. Dem Vernehmen nach hatte Frankreich Einwände. Letztlich unterstützten dann aber alle 27 EU-Staaten den Deal, wie die EU-Kommission bereits am Freitag mitteilte. Daraufhin stimmten im schriftlichen Verfahren auch alle EU-Kommissare zu. Nun läuft noch offiziell eine Einspruchsfrist von fünf Werktagen, bis die Unterschrift unter den Vertrag gesetzt werden kann.
Die EU-Kommission erwartet, dass für Auffrischungen und die Impfung von Kindern 2022 und 2023 zusammen rund 700 Millionen Dosen nötig werden. Tritt eine Mutation des Coronavirus auf, gegen die die bisherigen Impfungen nicht helfen, bräuchte man 640 Millionen Dosen, um 70 Prozent der EU-Bevölkerung völlig neu zu immunisieren. Für die laufende Impfkampagne hat die EU bereits zwei Rahmenverträge mit Biontech/Pfizer über 600 Millionen Impfdosen, die seit Ende 2020 nach und nach ausgeliefert werden. Allein von Anfang April bis Ende Juni erwartet die EU 250 Millionen Impfdosen der Hersteller.
Deren mRNA-Impfstoff war der erste, der in Europa zugelassen wurde. Er gilt als sehr wirksam und sehr sicher. Ein Vorteil der neuartigen mRNA-Technologie ist, dass Impfstoffe relativ schnell an Virenmutationen angepasst werden können. Als Nachteil gilt, dass das Präparat bei sehr tiefen Temperaturen gelagert werden muss und vergleichsweise teuer ist. Hersteller wie AstraZeneca und Johnson & Johnson nutzen eine andere Wirkweise mit Hilfe sogenannter Adenoviren.
Die Kommissionschefin hatte bereits angekündigt, dass Teil der Vereinbarung eine vollständige Herstellung in der EU sein werde – nicht nur des Impfstoffs, sondern auch aller wesentlicher Bestandteile. Bisher sind die Lieferketten für die Rohstoffe weltweit vernetzt. Teils bangten Hersteller um Nachschub wichtiger Bestandteile wie Lipide, die für mRNA-Impfstoffe notwendig sind.
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