Etappensieg für Reimporteure Patrick Hollstein, 01.04.2008 11:22 Uhr
In einem aktuellen Verfahren des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haben Pharmahersteller, die ihre Lieferungen an Großhändler begrenzen oder einstellen, um den Parallelhandel ihrer Produkte zu unterbinden, heute eine erste Schlappe hinnehmen müssen: In seinen Schlussanträgen warf Generalanwalt Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer dem Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) beziehungsweise dessen griechischer Tochtergesellschaft GSK AEVE einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung vor.
GSK hatte seit 2000 seine Produkte nur noch exklusiv über ein Partnerunternehmen vertrieben lassen; die griechischen Großhändler waren gar nicht mehr oder nur noch in beschränktem Umfang beliefert worden. Diese hatten zuvor einen Teil ihrer Ware in andere EU-Mitgliedstaaten mit höherem Preisniveau wie Deutschland und Großbritannien ausgeführt und gegen das Vorgehen von GSK geklagt.
Dem Generalanwalt zufolge lassen die Bestimmungen der Europäischen Verträge keine Ausnahmen zum Verbot des „Missbrauchs einer beherrschenden Stellung“ zu, auch wenn wettbewerbsfeindliche Handlungen unter Umständen sogar objektiv gerechtfertigt sein könnten: So sei der Arzneimittelmarkt „ein unvollkommener Markt mit einem eingeschränkten Grad der Harmonisierung, der durch staatliche Preisintervention, öffentliche Systeme der Erstattung und die Verpflichtung zur Versorgung gekennzeichnet ist und auf dem die gewerblichen Patente für die Arzneimittel leicht zu einer beherrschenden Stellung ihrer Rechtsinhaber führen“.
Dabei ist nach Ansicht das System der Preisregulierung jedoch nicht vollständig dem Einfluss der Hersteller entzogen, zumal diese ausgehandelt würden und der Bedarf anhand von Krankenstatistiken planbar sei. Auch die Verpflichtung zur Versorgung steht laut Colomer Lieferbeschränkungen gegenüber bestimmten Großhändlern entgegen.
Colomer wollte auch das Argument eines „Kausalzusammenhangs zwischen den Erlöseinbußen aufgrund des Parallelhandels und der Reduzierung der Investitionen des Herstellers in Forschung und Entwicklung“ nicht gelten lassen. Vielmehr habe GSK - neben der Darstellung der „perversen Folgen des Parallelhandels“ - keinen positiven Aspekt der Begrenzung ihrer Arzneimittellieferungen an die Großhändler aufgezeigt.
Die Ausführungen des Generalanwalts dienen den EuGH-Richtern zur Urteilsfindung, sind aber nicht bindend. Colomer hatte auch im so genannten Optiker-Urteil die Schlussanträge gestellt, der von Befürwortern einer Aufhebung des Fremdbesitzverbotes bei Apotheken gerne als Refernez herangezogen wird.