Der Erkältungsmittelmarkt ist hart umkämpft, entsprechend ringen die Hersteller um jedes Alleinstellungsmerkmal. Stada ist mit dem Versuch, seinen Klassiker Grippostad C als Alternative für Asthmatiker zu verkaufen, über das Ziel hinausgeschossen. Boehringer Ingelheim stoppte die Kampagne.
Grippostad enthält 200 mg Paracetamol, 150 mg Ascorbinsäure, 25 mg Coffein und 2,5 mg Chlorphenamin. Die Kombination ist nicht unumstritten, insbesondere der geringen Dosierung des Analgetikums können Kritiker nichts abgewinnen. Deutlich höher dosiert ist Geloprosed; andere Kombinationen von Dekongestiva und Analgetika enthalten Acetylsalicylsäure (Aspirin complex) oder Ibuprofen (Boxagrippal).
Stada machte aus der Not eine Tugend und bewarb Grippostad ab 2014 gegenüber Fachkreisen als Alternative für Patienten mit Asthma. „Grippostad C – auch bei Asthma“, hieß es in einer Präsentation. Und weiter: Da weder ASS noch Ibuprofen enthalten seien, sei das Präparat für Asthmatiker geeignet. Abgebildet war ein Gesicht mit einem Hubinhalator.
Boehringer mahnte Stada ab, bezüglich der zweiten Aussage gab Stada eine Unterlassungserklärung ab. Über die Anzeige wurde vor Gericht gestritten. Das Landgericht Hamburg gab dem Boxagrippal-Hersteller recht, jetzt bestätigte das Oberlandesgericht die Entscheidung. Die Aussage sei irreführend, da der Eindruck erweckt werde, Grippostad sei ohne Einschränkung für Asthmatiker als unbedenklich zu empfehlen.
Grippostad C ist mit einem Marktanteil von 33 Prozent das mit Abstand führende Erkältungsmittel. Dahinter folgen Wick (P&G) mit 26 Prozent und Aspirin complex (Bayer) mit 21 Prozent. P&G investiert massiv in Wachstum: Der Spot unter dem Motto „Mütter nehmen sich nicht frei“ ist seit mehr als einem Jahr im Fernsehen faktisch dauerpräsent.
Boxagrippal und Contramutan (Klosterfrau) kommen auf je 5 Prozent. Jeweils 1 Prozent entfallen auf Geloprosed (Pohl Boskamp) und Spaltgrippal (Pfizer). Den Rest des Marktes teilen sich kleinere Produkte wie Cetebe antiGrippal (GlaxoSmithKline) oder Doregrippin (Medice). Nach Absatz ist der Markt wegen der unterschiedlichen Preise anders verteilt.
Paracetamol soll im Gegensatz zu den nicht-steroidalen-Antirheumatika (NSAR) keinen negativen Einfluss auf die Asthma-Exzerbation haben. Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen oder auch Diclofenac könnten dagegen im Fall eines bestehenden Asthmas einen Anfall auslösen. Die Ursache liegt im Wirkmechanismus der Arzneistoffe: NSAR hemmen die Cyclooxygenase (COX), dadurch wird verstärkt Arachidonsäure von der Lipoxigenase in Leukotriene umgewandelt. Die Eicosanoide können dann durch Bronchokonstriktion einen Asthmaanfall verursachen. Wird durch die Schmerzmittel die Bildung der Prostaglandine gehemmt, steht mehr Arachidonsäure für die Bildung der Leukotriene zur Verfügung.
Der Wirkmechanismus von Paracetamol ist bislang nicht vollständig geklärt. So vermutet man eine Hemmung von COX 3 sowie einen Angriff in der Schmerzweiterleitung im Rückenmark. Im Mausmodell konnten skandinavische Wissenschaftler einen ausbleibenden analgetischen Effekt verursacht durch die Paracetamol-Metabolite auf den „transient receptor potential channel“ (TRPA1) genannten Ionenkanal feststellen.
Welche Rolle Paracetamol bei der Entstehung von Asthma spielt und ob der Wirkstoff die chronische Lungenerkrankung verstärkt, wird diskutiert. In sehr seltenen Fällen kann der Wirkstoff bei vorbelasteten Patienten eine Verkrampfung der Bronchialmuskulatur auslösen. Im vergangenen Jahr wurde im „New England Journal of Medicine“ (NEJM) eine Studie an Kindern veröffentlicht. Im Ergebnis konnte bei den etwa 300 Probanden zwischen einem und fünf Jahren kein Risiko für die Exzerbation von Asthma festgestellt werden. Auch zwischen Verum- und Vergleichsgruppe (Ibuprofen) gab es keine signifikanten Unterschiede. Die Ergebnisse schließen den Autoren zufolge aus, dass Kinder mit leichtem Asthma unter der Gabe von Paracetamol unter einer Asthma-Exzerbation leiden. Ob das schmerz- und fiebersenkende Arzneimittel sich jedoch während der Schwangerschaft negativ auf die Entwicklung der Lungen ausübt, müsse in weiteren Studien untersucht werden.
Per se ist die Kombination in Grippostad nicht ungefährlich für Asthmatiker. Das enthaltene Coffein vermindert die Ausscheidung des Asthmatherapeutikums Theophyllin, das Antihistaminikum Chlorphenamin ist bei einem akuten Asthmaanfall kontraindiziert.
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