E-Rezept: DocMorris schnappt sich Tele-Ärzte APOTHEKE ADHOC, 05.12.2019 09:10 Uhr
Erst die Fach- und Hausärzte, dann die Telemediziner: DocMorris kooperiert mit dem europäischen Branchenprimus Kry. Der stößt auf den deutschen Markt und will auch hierzulande Marktführer werden – entsprechend viele Verordnungen will Strategievorstand Max Müller von den Ärzten des schwedischen Unternehmens abgreifen. Das Konzept: Der Patient erhält von der Sprechstunde bis zum Medikament alles aus einer App. „Damit machen wir einen weiteren Schritt zum vollversorgenden Gesundheitsanbieter“, kündigt CEO Olaf Heinrich an.
Die Kooperation ermögliche „einen vollständigen digitalen Versorgungsprozess des Patienten ohne Medienbruch: von der telemedizinischen Diagnose durch den Arzt bei Kry bis zur pharmazeutischen Prüfung, Beratung und der Dispensierung des verordneten Arzneimittels“, so Heinrich. Zentraler Bestandteil ist dabei das E-Rezept: Nachdem der Arzt es ausgestellt und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen hat, kann der Patient demnach in der App auswählen, bei welcher Apotheke er die Verordnung einlösen möchte. Entscheidet er sich für DocMorris, fügt der Kunde seine deutsche Lieferadresse hinzu und übermittelt das E-Rezept aus der Kry-App direkt an den Versender.
Die Übertragung der digitalen Verordnung soll im Laufe des ersten Quartals 2020 über die technische Lösung von eHealth-Tec erfolgen – der Zur-Rose-Tochter, die auch am E-Rezept-Projekt der Techniker Krankenkasse beteiligt ist. Aktuell würden die dafür notwendigen Schnittstellen erstellt, so DocMorris. Eine Bevorzugung oder gar Zuweisung an den Versender will Kry damit nach eigener Aussage aber nicht forcieren. „Mit Kry kann jeder Patient wählen, auf welchem Weg er sein Rezept einlösen möchte“, erklärt Kry-Deutschlandchefin Dr. Christina Koehn. „Für viele Deutsche ist das der Gang in die Apotheke, andere lassen sich ihr Medikament lieber zuschicken.“
Bei den Ärzten, die die Videosprechstunden abhalten, handle es sich ausschließlich um in Deutschland zugelassene Fachärzte, teilte das Unternehmen mit. Neben Haut- und Erkältungskrankheiten könnten auch saisonale Symptome wie Pollenallergien diagnostiziert werden, auch ohne eine körperliche Untersuchung, ist Dr. Monika Gratzke sicher. „Insgesamt gehen wir davon aus, dass perspektivisch rund die Hälfte der Arztbesuche in der Allgemeinarztpraxis auch digital verlaufen können“, so die ärztliche Leiterin von Kry Deutschland.
Das Unternehmen gilt als Vorreiter für digitale Sprechstunden in Europa, mit Schwerpunkt in Schweden und Frankreich. Ziel sei es, nun auch den Deutschen einen einfacheren Zugang zu medizinischer Versorgung zu verschaffen. „Als Marktführer und mit über einer Million durchgeführter Sprechstunden in Europa haben wir die nötige Erfahrung, um Patienten professionell, schnell und nutzerfreundlich mit einem erfahrenen Arzt per Video zu verbinden“, so Koehn. Über die App dauere es nur wenige Minuten, bis der Patient eine Sprechstunde und anschließend eine Krankschreibung oder ein Rezept erhält.
Über 1,2 Millionen Mal wurde die App bereits europaweit heruntergeladen. 600 Ärzte arbeiten für das Unternehmen. „Unsere Größe erlaubt uns, das Produkt weiterzuentwickeln und beispielsweise beim E-Rezept wegweisend zu arbeiten. Wir starten mit dem Ziel in Deutschland schon 2020 die Rahmenbedingungen zu schaffen, allen Patienten digitale Arztbesuche erstattungsfähig zugänglich zu machen“, so Koehn über die Ziele von Kry auf dem deutschen Markt. Das Angebot solle allen Patienten offenstehen, egal ob gesetzlich oder privat krankenversichert.
So sollen Privatversicherte die Arztrechnung bei ihrer Krankenversicherung einreichen und die Gebühr von geplant 30 bis 40 Euro erstattet bekommen. Kassenpatienten hingegen müssten die Kosten zunächst selbst tragen. Zwar habe Kry auch diesen Markt bereits im Blick. Noch könne sie sich allerdings noch nicht zu den Plänen äußern, sagt Koehn. Beschlossene Sache ist dagegen die Einbindung des Arzneimittelversands in Gestalt von DocMorris.
Noch vor Kurzem hatte das anders geklungen: Der Fokus solle klar auf den Vor-Ort-Apotheken liegen, hatte Kry bisher beteuert. Verschriebene Medikamente könnten dort kurz nach der Videosprechstunde abgeholt werden. „In vielen akuten Situationen ist eine Versandapotheke gar keine Option“, weiß Koehn. Schließlich wollten Patienten nach dem Erhalt des Rezepts nicht tagelang auf ihr Medikament warten. Für die Zukunft erhofft sich Koehn eine gute Zusammenarbeit mit den Apotheken, wünscht sich von diesen aber noch mehr Initiative: „Die Apotheken vor Ort sind wichtig, sie dürfen nicht außen vor bleiben. Aber dazu müssen sie aufhören, so passiv zu sein.“
Auch eine Zielgruppe habe sich bereits herauskristallisiert: „Das Angebot wird momentan vorwiegend von Digital Natives und von Menschen mit einem eng getakteten Tag genutzt“, verrät Gratzke. Anders als in Schweden, wo Kry 2015 gegründet wurde, stehen die digitalen Sprechstunden in Deutschland jedoch nicht rund um die Uhr zur Verfügung. Öffnungszeiten würden aber immerhin von morgens bis spätabends angeboten, versichert Koehn.
Bereits im Sommer hatte DocMorris bekanntgegeben, sich rechtzeitig vor Einführung des E-Rezepts Zugang zu den Fach- und Hausärzten zu sichern. Demnach wollen der Spitzenverband Fachärzte (SpiFa) und die zu ihm gehörende Sanakey-Gruppe mit DocMorris bei der Suche nach innovativen Lösungen bei Themen wie Arzneimitteltherapiesicherheit und -distribution zusammenarbeiten. Im Oktober folgte dann eine Kooperation mit der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft.