Adrenalin-Pens: Lebensrettende Mangelware APOTHEKE ADHOC, 03.08.2018 09:30 Uhr
Momentan durchleben Menschen mit Allergien gegen Insektenstiche vielerorts eine schwere Zeit: Ein heißer Sommer, der auf einen milden Winter gefolgt ist, sorgt in Teilen Deutschlands für eine regelrechte Insektenplage. Besonders kritisch dabei: Es gibt nach wie vor anhaltende Engpässe bei den wichtigsten Epinephrin-Autoinjektoren. Und eine Besserung der Lage ist noch nicht absehbar, die Hersteller machen keine Zusagen.
Vor allem West- und Südwestdeutschland wurden diesen Sommer bereits von heftigen Unwettern mit extremen Regenfällen und Überschwemmungen heimgesucht. Darauf folgt nun die brennende Hitze, die das ganze Land stöhnen lässt: Beste Bedingungen für Mücken, Bienen, Wespen und weitere beiss- und stechfreudige Sechsbeiner. Für Menschen mit Allergien können die lebensgefährlich sein, denn werden sie gestochen oder gebissen, können sie einen anaphylaktischen Schock erleiden. So schnell wie möglich müssen sie sich dann mit einem Pen selbst eine Enephedrin-Injektion verabreichen. Doch ausgerechnet diesen Sommer sind die Pens allesamt Mangelware.
Bereits seit April ist der Fastjekt von Meda regelmäßig nicht erhältlich, weil Pfizer als Lohnhersteller aufgrund von Produktionsproblemen nicht liefert. „Die Lieferbarkeit von Fastjekt 300 μg hängt von der Zulieferung bestimmter Komponenten durch Drittanbieter ab“, erklärt Pfizer im Frühjahr. „Zudem haben Prozessänderungen die Kapazität vorübergehend begrenzt.“ Zwar konnte seit dem ersten Lieferausfall immer mal wieder für kurze Zeit Einheiten geliefert werden, aber vor September wird sich aller Voraussicht nach wohl keine Besserung der Situation einstellen. Bereits im vergangenen Jahr gab es einen weltweiten Rückruf des Fastjekts, der auch Deutschland betraf.
Alternativen kommen mit Jext von Alk Abelló und Emerade von Bausch + Lomb, die in Wirkstoff und Dosierung identisch sind. Allerdings unterscheidet sich die Handhabung, daher ist eine produktspezifische Schulung vor der Anwendung notwendig. Oder auch nicht: Denn wie der Fastjekt sind auch die beiden Pens momentan nicht erhältlich. „Alle drei sind derzeit nicht wirklich lieferbar“, bestätigt beispielsweise der Apothekerverband Baden-Württemberg. „Gelegentlich kommt einer oder zwei rein, wenn man sich bemüht, welche zu bekommen. Aber das ist momentan sehr schwer“, so ein Sprecher. Ein Problem sei dabei auch die vergleichsweise geringe Haltbarkeit, wegen der nur wenige Einheiten bevorratet werden können. Eine erhöhte Nachfrage wegen der Witterung sei aber nicht die Ursache für die Engpässe.
Ähnlich sieht es in Nordrhein-Westfalen aus. „Die Lage ist sehr problematisch“, zitiert die Rheinische Post den Vorsitzenden des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis. „Außerdem gibt es bisher keine Zusagen der Hersteller, wann die Produkte wieder lieferbar sind.“ Es ist nicht das erste Mal, dass Autoinjektoren knapp werden. Im Sommer 2015 kam es zu einer ähnlichen Situation: Damals führte die hohe Zahl an Bienen und Wespen zu einer Nachfrage, die nicht mehr bedient werden konnte.
Ein weiteres wichtiges Präparat für Insektenstich-Allergiker ist Celestamine N 0,5 Liquidid (Betamethason) von MSD – für das es keine Alternative gibt. Doch auch hier gilt momentan: Nicht lieferbar. „Die Nachschubmengen aus unserer Produktion decken derzeit nicht die im Markt benötigten Mengen“, ist auf der Seite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu lesen. Laut dessen Engpassliste hält der Engpass ebenfalls noch bis September an.
Immerhin hat MSD bisher versucht mit einer Lieferbeschränkung die Verfügbarkeit für Bienen- und Wespenstichallergiker halbwegs aufrecht zu erhalten. Ein Rezept alleine reicht deshalb nicht mehr zur Lieferung. Stattdessen verlangt der Hersteller von Apothekern zusätzlich eine Erklärung des verordnenden Arztes, dass das Arzneimittel ausschließlich zur Akutbehandlung nach Bienen- und Wespenstichen eingesetzt wird. Rheuma-Patienten werden aussortiert – eine rechtliche Grauzone.