Eklat bei AEP Patrick Hollstein, 17.02.2017 15:34 Uhr
Beim Großhändler AEP hängt der Haussegen schief: Die österreichischen Investoren wollen dem Newcomer weiter dringend benötigtes frisches Kapital zur Verfügung stellen, die deutschen Partner mauern. Mittendrin steht der ehemalige Celesio-Chef Dr. Fritz Oesterle. Er hatte als Berater in den Gründungstagen einen kleinen Anteil an der Firma bekommen – dies unter der Prämisse, dass er nicht offiziell in Erscheinung treten würde. Doch angesichts des Streits ließ er sich von seinen Treuhändern zum Vorstand bestellen – wohlwissend, dass man in Alzenau in Erklärungsnot geraten würde.
Die Ursprünge von AEP reichen bis ins Jahr 2011 zurück: Damals entwickelt der Berliner Unternehmensberater Professor Dr. Nikolaus Fuchs für Celesio verschiedene Konzepte. Im Kern geht es um die Frage, wie sich der Pharmagroßhandel rationaler gestalten lassen könnte. In Stuttgart wird damals auch darüber nachgedacht, über die Post, FedEx oder einen anderen Logistiker liefern zu lassen. Weil der Konzern im Umbruch ist, bleiben die Vorschläge in der Schublade liegen.
Als Oesterle im Frühjahr bei Celesio gehen muss, verschafft Fuchs ihm einen Posten im Aufsichtsrat des Medizintechnikkonzerns Eckert & Ziegler. Parallel entsteht ein Konzept, um mit einer neuen Firma in den deutschen Pharmagroßhandelsmarkt einzusteigen. Auftraggeber ist die Österreichische Post, die über Trans-o-flex als Pharmalogistiker am deutschen Markt aktiv ist. Konzernchef Dr. Georg Pölzl kennt Fuchs noch aus seiner Zeit bei McKinsey.
Als die Pläne konkreter werden, holt Fuchs noch Dr. Andreas Eckert, Vorstandschef von Eckert & Ziegler, an Bord. Pölzl bringt Martin Bartenstein ins Spiel, der von 2000 bis 2008 Wirtschafts- und Arbeitsminister in Österreich war und dessen Familie der Generika- und Lohnhersteller Gerot Lannach (GL Pharma) gehört.
Gemeinsam gründen die Partner AEP. Die beiden Parteien aus Österreich übernehmen knapp 70 Prozent der Anteile. An Fuchs und seine Mitarbeiter gehen 12 Prozent, genauso wie an Eckert. Die restlichen 6 Prozent erwirbt eine Beteiligungsgesellschaft mit dem Namen Adhuc, deren Spur sich damals in einer Stuttgarter Rechtsanwaltskanzlei verliert.
Die falsche Fährte ist bewusst gelegt. Weder die anderen Investoren noch die AEP-Chefs Jens Graefe und Markus Eckermann wollen, dass die Branche weiß, dass hinter Adhuc der ehemalige Konzernchef steht. Dabei ist es kein Geheimnis, dass die alte Seilschaften noch wirken: Graefe kommt von Celesio, Eckermann von Gehe. In Berlin wirbt Matthias Kleinert, ehemaliger Cheflobbyist des Konzerns, bei der Politik für das Konzept.
Oesterle zieht sich zurück, bei Gesellschafterversammlungen wird er von seinen Treuhändern vertreten. Zunächst sind sich die Investoren einig; auch als sich wegen der Rabattschlacht eine längere Durststrecke abzeichnet, herrscht Einvernehmen. Am Flughafen Frankfurt wird Ende 2014 bei der Holding mit dem Namen Adelheid zum letzten Mal einstimmig eine Kapitalerhöhung verabschiedet.
Als AEP im vergangenen Jahr gleich zweimal frisches Geld benötigt, kommt es zum Eklat. Ende August geht es um 2,4 Millionen Euro, die die Finanzierung von AEP bis zum Jahresende sichern sollen. Pölzl stimmt für die Fraktion der Österreicher mit Ja. Die Deutschen sind dagegen.
Doch am Ende zählt nur die Stimme von Eckert: Die Vollmachten für Fuchs und Adhuc weist der Postchef zurück, da sie nicht – wie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen – auf einen Anwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ausgestellt sind. Auch eine eilig nachgereichte neue Vollmacht wird als formfehlerhaft zurückgewiesen. Damit haben die Österreicher die erforderliche Dreiviertelmehrheit, der Antrag geht durch.
Die außerordentliche Hauptversammlung im November läuft genauso ab. Diesmal sollen 5,5 Millionen Euro eingetrieben werden, um die drohende Zahlungsunfähigkeit von AEP abzuwenden. Post und GL Pharma erklären sich bereit, den Betrag zu übernehmen. Für die deutschen Partner steht viel auf dem Spiel: Ziehen sie nicht mit, verwässert ihr gemeinsamer Anteil auf unter 25 Prozent. Ohne diese Sperrminorität hätten die Österreicher freie Hand.
Eckert moniert vor der Abstimmung, die Bewertung sei „absurd niedrig“ und nicht konsistent mit Bewertungen aus der Vergangenheit. Den Umfang der Kapitalerhöhung halten er und seine Mitstreiter für „exzessiv“. Sie lehnen die Maßnahme ab, fordern neue Gesellschafterdarlehen von den Österreichern.
Pölzl dagegen droht mit Schadenersatzklagen: In dieser schwierigen Lage seien alle Gesellschafter zur Zustimmung verpflichtet. Doch dazu kommt es nicht: Eckert legt dieselben Vollmachten wie im August vor, die Pölzl wieder nicht anerkennt. Der Vorschlag geht durch, Post und GL sind nun die Herren im Haus.
Der Gesellschafterstreit wird nun wahrscheinlich gerichtlich ausgetragen. Schon in der Versammlung erklärte Eckert, dass die von ihm vertretenen Gesellschafter sich Anfechtungsklagen vorbehielten. Und nun kommt Oesterle zurück ins Spiel: Schon bei Celesio verstand er den Apothekenmarkt als Strategiespiel. Auch jetzt will er den Druck erhöhen: Zwei Tage vor der Hauptversammlung bei AEP lässt er sich bei Adhuc zum Vorstand bestellen – er weiß, dass man in Alzenau keine negativen Schlagzeilen gebrauchen kann. Dieses Pulver hat er nun verschossen.