Ilapo sieht Lieferengpässe als Chance Katharina Lübke, 12.11.2014 17:43 Uhr
Lieferengpässe sind ein Ärgernis für Apotheker und Kunden. Immer wieder müssen Kollegen Patienten wieder wegschicken, weil das gewünschte Präparat nicht verfügbar ist. Einzelimporteure sehen in Lieferengpässen eine Chance. Insgesamt rund ein Dutzend Anbieter haben sich auf das Feld spezialisiert. Zu den Marktführern gehört der 2006 gegründete Münchener Spezialhändler Internationale Ludwigs-Arzneimittel (Ilapo).
Hinter dem Anbieter steht die 1827 gegründete Ludwigsapotheke. Erstmals in den 60er Jahren hat der damalige Besitzer Dr. Carl Picha für Gastarbeiter aus Griechenland, Portugal, Spanien und Italien die ihnen bekannten Arzneimittel besorgt. „Er konnte die Gastarbeiter in ihren Landessprachen bedienen“, sagt Geschäftsführerin Sabine Fuchsberger-Paukert, „und hat damals schon unser Lieferantennetz aufgebaut. Unseren italienischen Lieferanten hat er auf einem Alpengipfel kennengelernt.“ Zu einem Teil bestünde das Lieferantennetzwerk aus dieser Zeit.
In den 1980er Jahren habe sich die Motivation für die Einzelimporte vom Gastarbeiterwunsch hin zu lebensnotwendigen Präparaten, die es am Markt nicht gab, geändert. „Immer mehr Präparate fehlten, etwa die AIDS-Medikamente, die ersten kamen aus den USA“, sagt Fuchsberger-Paukert. „So ist es bis heute geblieben.“ Einzelimporte beträfen zum einen teure Innovationen, die in Deutschland noch nicht zugelassen seien. Zum anderen würden zahlreiche günstige Präparate importiert, die nicht lieferbar seien.
In mehr als 50 Ländern habe Ilapo, von der Apotheke unabhängig, Lieferpartner, sowohl Apotheken als auch Großhändler. In jedem europäischen Land, sowie in den USA, in Kanada und in Japan habe das Unternehmen einen bis zwei Lieferanten. Sinnvoll seien nur Partner, die über Arzneimittel verfügten, die in Deutschland fehlten.
In Lieferengpässen sieht Fuchsberger-Paukert, die auch Vorsitzende des Verbandes der Einzelimporteure Internationaler Arzneimittel (VEIA) ist, eine Chance. „Lieferengpässe sind für unser Geschäft auf jeden Fall wichtig und spielen zunehmend eine Rolle“, sagt sie. Rund 60 Prozent der auf der Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu aktuellen Lieferenpässen erfassten Präparate könnten wirkstoff- und dosierungsgleich über Einzelimporte besorgt werden.
Lieferengpässe im deutschen Markt sorgen für einen großen Teil des Absatzes. Blockbuster sind etwa Benzetacil aus Spanien, das anstelle der deutschen Produkte Tardocillin und Pendysin (Benzylpenicillin-Benzathin) genutzt wird, sowie Homviotensin, Bepanthen Ampullen und besonders Tollwutimpfstoff. „Wir wissen aber, dass wir nicht der Heilsbringer für Lieferengpässe sind. Wir können nur kurzzeitig aushelfen.“
Dabei stehe die Sicherheit an erster Stelle: Neue Lieferanten würden vor der Aufnahme sorgfältig geprüft, etwa mit einer Selbstauskunft. „Außerdem muss der Lieferant uns persönlich bekannt sein“. Bei Zweifeln werde vor Ort geprüft. Zudem würden pro Jahr sieben Bestandslieferanten im Auditprogramm geprüft. „Rausgefallen ist noch niemand“, sagt Fuchsberger-Paukert. „Aber viele Partner bekommen Auflagen, die sie erfüllen müssen. Nach der Frist prüfen wir erneut vor Ort.“ Insgesamt fünf Apothekerinnen bereisen dazu die Länder.
Die „Gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln“ (GDP), die seit September 2013 gilt, sei noch immer ein Thema. „Bei der Lieferantenqualifizierung erfüllten wir schon damals die Forderungen“, sagt Fuchsberger-Paukert. Für die temperatur- und feuchtigkeitsüberwachte Lagerung ist Ilapo extra in neue Räume gezogen. Aber auch für weltweite Einzellieferungen müssen Einzelimporteure eine Temperaturführung nachweisen.
Bislang würden die normalen Wege genutzt, UPS sei Hauptpartner. Für spezielle temperatursensible Präparate, wie etwa Zytiga (Abirateronacetatzur) zur Behandlung von Prostatakrebs, nutzt Ilapo Spezialkuriere wie World-Courier. Jetzt will Ilapo die Transportwege validieren. „Es muss geprüft werden, wo kritische Transporte bestehen und wo es geboten ist, mit Spezialtransporteuren oder mit speziellen Verpackungsmaterialien zu arbeiten“, so Fuchsberger-Paukert. Die Prüfung könne nur bei besonders kalten und besonders warmen Temperaturen erfolgen. Bis Mitte nächsten Jahres werde die Validierung abgeschlossen sein. Was GDP angeht, sieht sie Ilapo damit gut gerüstet.
Rund eine halbe Million Packungen handelt Ilapo jährlich, die Hälfte davon würden importiert, die andere Hälfte exportiert. Damit machte der Großhändler mit 35 Mitarbeitern, überwiegend Apothekerinnen und PTA, im jüngsten Geschäftsjahr etwa 16 Millionen Euro Umsatz, rund 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Gesamtmarkt mit Einzelimporten überquerten rund 1,2 Millionen Packungen die Ländergrenzen. „Wir sehen, es sind weiterhin Innovationen, die neuesten kommen immer aus den USA“, so Fuchsberger-Paukert. Eine Herausforderung sei aber, dass der deutsche Markt nicht wachse.
Sie ist sich sicher, dass jede deutsche Apotheke auf Einzelimporte zurückgreift. „Viele Kollegen betrachten die Option aber als Stiefkind, wegen des großen Aufwands.“ Rund zehn Minuten müsse man für die Dokumentation und den speziellen Wareneingangscheck einplanen. „Wenn man dem Kunden bei der Abwicklung mit der Kasse hilft, kommen noch ein paar Minuten oben drauf.“ Andere Apotheker würden Einzelimporte als Teil ihres Versorgungsauftrags verstehen und nutzen.
Rund ein Dutzend Einzelimporteure teilen sich den deutschen Markt, darunter Phoenix Pharma-Einkauf, Runge Pharma, Pharmavertrieb Heinze, Pharmore, Pharma International, Lucien Ortscheit, Juers Pharma Import Export und Import International oHG. Ilapo selbst hat rund 7000 Apotheken als Stammkunden, rund 1500 nutzen die interne Datenbank, die mehr als 150.000 Präparate enthält.
Häufig handele es sich um dringende Anfragen. „In einem Fall brauchte ein Frühgeborenes dringend Citrate Decafeine Ampullen aus Frankreich. Es ging um Leben und Tod. Wir haben das Paket von einem Lieferanten in einem Sonderpaket zur Krankenhausapotheke schicken lassen. In weniger als 20 Stunden war es da. Die nächste Möglichkeit wäre gewesen, mit dem Auto, mit einem Spezialkurier zu fahren. Das machen wir auch manchmal.“