Der vor vier Wochen begonnene Teil-Lockdown stellt den Einzelhandel im Land erneut vor eine Bewährungsprobe. Die Stimmung ist gedrückt. Die Händler hoffen nun auf ein gutes Weihnachtsgeschäft. Zumindest die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gibt nach Ansicht von Volkswirten etwas Hoffnung für die Branche
Leere Läden und bange Blicke: Der Anfang November begonnene Teil-Lockdown macht dem Einzelhandel schwer zu schaffen. Viele Händler spüren die Folgen der erneut starken Corona-Beschränkungen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Gerade die Geschäfte in den Innenstädten sind demnach leerer als sonst. Die Hoffnung der Betroffenen ruht nun ganz auf dem Weihnachtsgeschäft.
„Die Stimmungslage bei der Kundschaft hat sich verändert“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Sachsen-Anhalt, Knut Bernsen, in Magdeburg. Seit dem Teil-Lockdown gingen die Menschen wieder weniger in Modegeschäfte, Schuhläden und zu Juwelieren. Stattdessen werde eher online gekauft. „Das wird sich im Weihnachtsgeschäft vermutlich so fortsetzen“, so Bernsen. Der Verbandschef rechne damit, dass an Heiligabend vor allem Gutscheine, Kleidung und Elektronikgeräte unter dem Baum liegen würden. Weniger gut würden hingegen Geschenke rund ums Reisen laufen. Lebensmittel, gerade vor den Weihnachtsfesttagen, seien vermutlich stark gefragt, da wegen der geschlossenen Restaurants daheim gekocht werde. Die in dieser Woche verschärften Teil-Lockdown-Regeln mit strengeren Vorgaben bei der zulässigen Höchstzahl an Menschen in Geschäften könnten den Einkauf aber erschweren. „Es wird vermutlich zu Warteschlangen vor Supermärkten kommen“, so Bernsen.
Gerade bei den Händlern in den Innenstädten sei die Lage angespannt. „Es ist doch eine recht schwierige Zeit“, sagte die Vorsitzende der City-Gemeinschaft Halle, Beate Fleischer. Weil Restaurants und Cafés seit Anfang November wieder geschlossen seien, sei im Zentrum von Halle relativ wenig los. Zudem gelte seit Oktober an belebten Orten eine Maskenpflicht. Das trübe die Kaufstimmung in der Innenstadt. Letztlich machten die Händler dadurch weniger Umsatz. Um das Weihnachtsgeschäft bei den Geschäften anzukurbeln, hätten die ersten Händler in der Saalestadt bereits ihre Schaufenster geschmückt. „Wir wollen den Weihnachtseinkauf einfach vorziehen“, erklärte die Vorsitzende des Zusammenschlusses der Innenstadtakteure von Halle.
Dafür sei die Stimmung bei einigen Wochenmarkthändlern besser. „Händler mit Frischesortiment haben keine oder wenig Einbußen zu verzeichnen“, erklärte Katrin Schiel von der Deutschen Marktgilde in Dresden mit Blick auf die zurückliegenden vier Wochen. Die Menschen würden seit der Corona-Pandemie wieder mehr kochen und gesundes, regionales Essen bevorzugen. Schlechter gehe es hingegen den Händlern mit gemischtem Sortiment. Denn das werde eher online gekauft.
Trotz der positiven Folgen sei die Stimmung aber nicht bei allen gut. Einerseits trübe die Maskenpflicht das Einkaufserlebnis, so Schiel. Außerdem fielen Stammkunden weg. Denn: „Viele ältere Menschen meiden in dieser Zeit den Wochenmarkt, weil sie Angst vor einer Ansteckung haben“, erklärte die Gildensprecherin. Mit Blick auf die kommende Weihnachtszeit gebe es derzeit mit einigen Kommunen Gespräche, ob Sondermärkte im Dezember möglich seien.
Dabei könnte die allgemeine Wirtschaftslage – ein wichtiger Indikator für Kaufkraft und Kaufverhalten – weniger schlecht ausfallen, als von vielen befürchtet. Denn der verlängerte Teil-Lockdown in Deutschland wird nach Auffassung von Volkswirten führender Finanz- und Forschungsinstitute kaum gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft in der Bundesrepublik haben. Die hauptsächlich betroffenen Branchen wie Gastronomie, die Kulturszene oder die Verkehrsbranche hätten einen vergleichsweise geringen Anteil an der Bruttowertschöpfung, sagte die „Wirtschaftsweise“ und Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen, Veronika Grimm.
So habe das derzeit weitgehend geschlossene Gastgewerbe einen Anteil von 1,6 Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung – die gegenwärtig vergleichsweise gut laufende Industrie dagegen einen Anteil von rund 25 Prozent und der ebenfalls geöffnete Einzelhandel von um die 10 Prozent. „Die Wirtschaft wird dadurch nicht stark einbrechen. Es kommt jetzt darauf an, die betroffenen Betriebe gut durch die Krise zu bringen“, sagte Grimm. Deshalb seien die Milliarden-Ausgaben von Bund und Ländern für Hilfsprogramme gerechtfertigt.
Auch Katharina Utermöhl, Volkswirtin bei der Allianz-Gruppe in Frankfurt, geht von einer nur leichten negativen Wirkung des Teil-Lockdowns aus, was auch für die Situation auf dem Arbeitsmarkt gelte. „Der zweite Lockdown wird hier keine nennenswerten Auswirkungen haben“, sagte sie mit Blick auf die Arbeitslosenzahlen. „Wir glauben aber auch, dass es ein längerer Konjunkturwinter wird“, sagte Utermöhl. Die wirtschaftliche Erholung im nächsten Jahr werde erst einsetzen, wenn eine ausreichende Zahl von Menschen gegen Covid-19 geimpft worden sei. Nach einem Minus von sechs Prozent im laufenden Jahr rechnet Utermöhl 2021 mit einem Anstieg des Bruttoinlandprodukts (BIP) von nur 2,5 Prozent. „Kräftiger Rückenwind ist erst ab Mitte des kommenden Jahres zu erwarten, wenn ein Großteil der Risikobevölkerung geimpft sein wird“, sagte sie.
„Durch den Lockdown Light wird das Bruttoinlandsprodukt erneut schrumpfen, allerdings weit weniger stark als im Frühjahr“, betonte auch Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatseigenen Bankengruppe KfW. „Die Zahl der Arbeitslosen könnte sich durch die Betriebsschließungen um etwa 100.000 erhöhen, die Zahl der Kurzarbeiter vorübergehend um bis zu einer halben Million“, sagte sie. Betroffen seien vor allem Geringqualifizierte, Minijobber und Beschäftigte im unteren Einkommensbereich.
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