Freie Verkaufs-, feste Einkaufspreise: Die Apotheken stehen mit dem Rücken zur Wand. Der Bundesgerichtshof (BGH) wird sich bald mit der Frage beschäftigen müssen, welche Konditionen bei Rx-Arzneimitteln zulässig sind. Neben dem Großhändler AEP will auch der Reimporteur Eurim nach Karlsruhe ziehen. Denn das Oberlandesgericht München (OLG) hat sein Bonusprogramm verboten.
Bei EurimSmiles erhielten Apotheken für jedes beim Reimporteur bestellte Arzneimittel einen Bonuspunkt, egal ob Rx oder OTC. Der Wert der Punkte erhöhte sich mit deren Anzahl, das Direktgeschäft wurde besser bewertet als die Bestellung über den Großhandel. Gesammelte Punkte konnten Apotheker gegen Ware, Geld- oder Sachprämien einlösen. Bei Eintausch gegen Ware gab es einen Aufschlag von 10 Prozent. Ab 160 gesammelten Punkten gewährte Eurim zudem verschiedene Servicepakete.
Der Wettbewerbsverein Integritas war gegen das Bonusprogramm vorgegangen, da es gegen die Preisbindung und das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoße. Das Landgericht Traunstein (LG) erklärte das Modell im Sommer 2016 für zulässig, sah sich aber selbst nur als Durchgangsstation.
Das OLG kassierte in dieser Woche die erstinstanzliche Entscheidung. Eurim wurde per Urteil verpflichtet, keine geldwerten Vorteile für Rx-Arzneimittel zu gewähren, die über den Großhandelszuschlag von 3,15 Prozent beziehungsweise 37,80 Euro hinausgehen. Dies gilt sowohl für direkt bezogene als auch für über den Großhandel bestellte Ware.
Der Einkaufspreis der Apotheken dürfe die Summe aus Herstellerpreis, Festzuschlag von 70 Cent und Umsatzsteuer nicht unterschreiten. Die Richter sahen Verstöße gegen Arzneimittelgesetz (AMG), Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liege nicht nur dann vor, wenn das Arzneimittel zu einem anderen als dem zulässigen Preis abgegeben werde. Die Bestimmungen der AMPreisV würden vielmehr auch dann verletzt, wenn zwar der korrekte Preis angesetzt werde, dem Apotheker aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt würden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen ließen. Auch beim Bezug über den Großhandel führe das Bonusmodell dazu, dass kein einheitlicher Abgabepreis sichergestellt werde.
Nicht verboten wurde Eurim dagegen, Apotheken für jede abgegebene OTC-Packung einen Vorteil im Marktwert von mehr als einem Euro zu gewähren. Für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sei kein einheitlicher Apothekenabgabepreis vorgeschrieben, die AMGPreisV gelte nicht, so die Richter. Auch die kostenlose von Werbe- und Kundenbindungsmaterial sei nicht zu beanstanden.
Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor, bei Eurim gibt man sich dennoch zufrieden: „Das Urteil bestätigt die Rechtmäßigkeit unseres seit zwölf Jahren bestehenden Partnerprogramms in relevanten Punkten“, so Firmenchef Andreas Mohringer. „Allerdings schränkt es die Möglichkeiten der Gewährung von Bonuspunkten auf die Abgabe von Rx-Präparaten ein. Daher haben wir uns entschlossen, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen – wozu eben auch die Einlegung der Revision gehört.“ Im Interesse der Apotheken werde man beim Bundesgerichtshof (BGH) für das Programm kämpfen.
Integritas war auch gegen „Clever+“ von Kohlpharma vorgegangen. Im August verbot das OLG Saarbrücken das Partnerprogramm des Eurim-Konkurrenten: Mit verdeckten Preisnachlässen und einem unechten Skonto gingen die Konditionen über den variablen Teil des Großhandelszuschlags hinaus, so die Richter. Nachdem das eigene Modell verboten worden war, sah man sich in Merzig veranlasst, gegen das 5-prozentige Skonto des Konkurrenten Haematopharm vorzugehen.
Grundsätzlich ist der Branchenprimus aber der Ansicht, dass die Deckelung der Einkaufskonditionen „verheerende Auswirkungen auf das Betriebsergebnis von Apotheken“ haben werde. Die Apotheken könnten Schätzungen zufolge zwischen 30 und 50 Prozent ihres Betriebsergebnisses verlieren. „Hier ist die Politik zu einer raschen Klärung aufgefordert, bevor der BGH in der Sache den Obergerichten folgt und damit endgültig zu Lasten der Apotheken und zu Lasten der flächendeckenden Arzneimittelversorgung urteilt.“ Denn während sich die Rx-Boni ausländischer Versandapotheken zugunsten der Patienten – wenn überhaupt – nur allmählich durchsetzten, könnte der BGH die Einkaufskonditionen über Nacht kassieren.
Bevor der Fall Eurim aber in Karlsruhe verhandelt wird, steht eine Entscheidung im „Skonto-Prozess“ an: Die Wettbewerbszentrale streitet mit den Großhändler AEP, um die Einkaufskonditionen der Apotheken auf das angeblich gesetzlich zulässige Maß zurückführen zu lassen. Parallel hatte ein Verfahren der Wettbewerbszentrale gegen die Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV) zum Fall der Preisbindung auf der Ebene der Verbraucher geführt.
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