Die Insolvenz des Rechenzentrums AvP stellt die abrechnenden Apotheken vor große Herausforderungen – und teilweise existenzgefährdende Liquiditätsprobleme. Die Branche sucht kollektiv nach Wegen aus der Krise. Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger hat einen Lösungsansatz entwickelt, bei dem ein neues Rechenzentrum, die Bank und der Hauptlieferant zusammengebracht werden.
Seit vergangener Woche hatte AvP Probleme mit der Auszahlung, viele Apotheken warten noch immer auf die Abschlagszahlung. „Nach einer ersten Durchsicht scheint es grob 120.000 Euro je durchschnittliche Apotheke zu sein. Die Beträge liegen allerdings vereinzelt deutlich höher, je nach Größenklasse bei 800.000 Euro und mehr“, so Bellingers Einschätzung. Die Situation hat sich heute verschärft, weil die Bafin bekannt gegeben hat, dass der Sonderbeauftragte Insolvenz für AvP angemeldet hat.
Die Apobank zeigt sich laut Bellinger sehr kooperativ und räumt Kreditlinien ein, damit die Apotheken den Großhandel bedienen können. Um den Apotheken die liquide Operabilität offenzuhalten, schlägt der Steuerberater und Rechtsanwalt folgende Konstruktion als sinnvoll vor:
Neben dem Apotheker sollten eine Bank (zum Beispiel die Apobank), ein neues Rechenzentrum sowie der hauptsächlich liefernden Großhändler ins Boot geholt werden.
Dieses Quartett sollte dann laut Bellinger folgende Vereinbarung treffen: „Der Apotheker belegt über die Abrechnung von AvP den bislang nicht ausgezahlten Betrag. Dieser wird auf die drei oben genannten Partner wie folgt verteilt: Die Bank gewährt einen Kredit über ein Drittel des Betrages, bei einem Zinssatz von 1,5 Prozent p.a. Der Kredit ist tilgungsfrei, aber jederzeit voll tilgbar und zunächst befristet auf einen Korridor von zwölf Monaten. Für die Apobank müsste das eine willkommene Gelegenheit sein, sich als führende Ständebank zu rehabilitieren und etablieren.“
Das vom Apotheker neu bestellte Rechenzentrum soll eine Vorauskasse ebenfalls in Höhe von einem Drittel des bei AvP bislang ausgefallenen Betrages einbringen. „Das würde einem Rechenzentrum normalerweise nicht wehtun, weil Rechenzentren im Bedarfsfall einen Betrag bis zur Höhe einer vollen Monatsgutschrift als Vorauskasse geben“, so Bellinger. Für die Ratierlichkeit der Rückzahlung sollen nach seinem Modell 48 Monate vereinbart werden. „Im Gegenzug hat natürlich das Rechenzentrum diesen Kunden als Neukunden.“ Den Zinssatz für die Vorauskasse müsse das Rechenzentrum mit dem Apotheker direkt vereinbaren.
Und der Großhandel soll als Dritter im Bunde wiederum ein Drittel des bei AvP ausgefallenen Betrages aus seiner Rechnung nehmen, stunden und ebenfalls 48 Monaten ratieren. „Das kann der Großhandel ohne Bankenlizenz. Der Vorteil des Großhandels liegt darin, dass er die Vorauskasse und den von der Apobank kreditierten Betrag bekommt, also mit seiner offenen Rechnung nur noch mit rund einem Drittel im Obligo ist.“ Den Zinssatz für den gestundeten Betrag müsse der Großhändler mit dem Apotheker direkt vereinbaren.
Und noch einen Tipp hat der Steuerberater: „Der Apotheker storniert die Vorauszahlung auf die Einkommensteuer für das dritte Quartal sofort – eigentlich nicht zulässig, dürfte aber funktionieren –, für das vierte Quartal ebenso. Dem Finanzamt teilt er mit, dass die Vorauszahlungen der ersten beiden Quartale mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit höher waren als die zu erwartende Steuer für 2020. Zulässig ist das aber nur, wenn das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, denn andernfalls wäre die Gewinnauswirkung erst in 2021.“ Die dadurch freigesetzte Liquidität könne der Apotheker nutzen, um die Verbindlichkeit bei einem der drei Marktpartner zu reduzieren oder als Kriegskasse für die Raten zu verwenden.
Bellinger hat keinen Zweifel, dass die drei Protagonisten einspringen – und sogar schon positive Signale für seinen Plan erhalten. „Alle drei sind die klassischen Marktpartner einer Apotheke, haben also ein homogenes Interesse daran, dass der Zahlungsausfall bei AvP bei einer Apotheke das operative Geschäft nicht behindert.“
Um die Abwicklung des Rettungsplans für alle gerecht und möglichst reibungslos zu vollziehen, schlägt Bellinger vor, dass alle Zahlungen aus der Insolvenzmasse von AvP ausschließlich über das Konto bei der beteiligten Bank abgewickelt werden. Die Kontonummer des Sonderkontos müsse dem Insolvenzverwalter als ausschließliches Zielkonto benannt werden. Eingehende Zahlungen auf dem Konto verteilt die Bank dann jeweils zu einem Drittel an das Rechenzentrum zur teilweisen Ablösung der Vorkasse, zu einem Drittel an den Großhandel zur Reduzierung des gestundeten Betrages und das letzte Drittel bleibt bei der Bank zur Reduzierung des Sonderkredits.
„Durch die Risikostreuung ist das Risiko der drei beteiligten Marktpartner überschaubar“, so Bellinger. Der direkten Zahlungsfluss von Bank und Rechenzentrum an den Großhandel garantiere diesen Beteiligten, dass das Geld operativ richtig verwendet wird, die liquide Operabilität der Apotheke also tatsächlich gefördert wird. Und gerade Rechenzentrum und Bank hätten einen erheblichen Werbeeffekt von dieser Aktion.
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