Livsane kommt – Phoenix will mit einer europaweiten Eigenmarke einen dreistelligen Millionenumsatz erzielen. Alter Wein in neuen Schläuchen? Oder das Comeback eines zuletzt vernachlässigten Erfolgskonzepts? Bislang mischen vor allem Kooperationen wie Linda, Elac und Parmapharm mit. Doch auch Versandapotheken und kleinere Verbünde haben das Thema für sich entdeckt. Und einige sind ganz erfolgreich.
Auch wenn der eigene Name auf der Packung die beste Werbung ist: Nicht jede Apotheke kann sich das Geschäft mit den Eigenmarken leisten. Ein gewisser Absatz wird benötigt, das Team muss mitspielen. Und dann gibt es noch logistische und strategische Komponenten: Die Ware muss vorfinanziert, zwischengelagert und ausgefahren werden. Dazu drohen Verfall und Überalterung – einige Medizinprodukte könne man gar nicht so schnell verkaufen, wie sie durch technische Neuerungen abgelöst würden, erklärt Andreas Fremmer von Linda.
Seine Kooperation hat deswegen die Logistik vor einem Jahr an den Großhandelspartner Phoenix ausgelagert. Dadurch könnten die Apotheken auch kleinere Mengen bestellen. Zusätzlich hat sich Linda auf den Bereich der Nahrungsergänzungsmittel (Prima) und Diätmittel (Ovivo) spezialisiert – anders als bei Elac oder Parmapharm sind OTC-Produkte bislang tabu. In Köln will man das gute Verhältnis zu den Industriepartnern nicht strapazieren.
Den umgekehrten Ansatz fährt man bei Apo-Rot: Die Versandapotheke will ihr Portfolio ausweiten, um sich vom Druck der Hersteller, immer größere Mengen abzunehmen, ein Stück weit zu befreien. Derzeit haben die Hamburger mehr als 30 Produkte unter dem Namen Apo-Rot in den Bereichen OTC, Kosmetik und Nahrungsergänzungsmittel im Angebot: vom Kontaktlinsenmittel über die Handcreme mit Hyaluronsäure bis hin zu Schnelldrehern wie Ibuprofen und Paracetamol.
Die Gründe für die Einführung von Hausmarken seien vielfältig gewesen, erklärt Christian Strauch, der bei Apo-Rot den Geschäftsbereich Versand leitet. Neben der Markenbildung sei das Ziel gewesen, die Abhängigkeit von der Industrie zu reduzieren. „Die Verhandlungen mit den Herstellern werden immer schwieriger. Jedes Jahr sollen immer höhere Ziele erreicht werden“, berichtet er. Um gute Preise zu realisieren, müsse man immer größere Mengen abnehmen. Diesen Zwang wollte man zumindest teilweise lockern.
2002 wird die Hauptapotheke, die Apotheke am Rothenbaum, von Birgit Dumke in Hamburg gegründet. Neben Filialen in der Hansestadt betreibt das Unternehmen einen Web-Shop und kooperiert mittlerweile mit mehr als 20 Partnerapotheken. Seit Januar 2009 vermarktet Apo-Rot ein eigenes Sortiment an apothekenüblichen Produkten.
Den Anfang machte eine Handcreme. Schon bald kamen Ibuprofen und Paracetamol dazu. „Bereits sechs Wochen nach der Einführung waren die beiden Hausmarken in den jeweiligen Kategorien führend“, berichtet Strauch. Die Preise liegen nach seinen Angaben bis zu 50 Prozent unter denen von anderen Anbietern: Die 20er-Packung Paracetamol etwa kostet als Apo-Rot-Produkt im eigenen Webshop 79 Cent, das Produkt von Ratiopharm ist mit 1,18 Euro gelistet. Im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel dauere es etwas länger, bis sich ein Produkt etabliere: Rund ein Jahr braucht es nach Angaben von Strauch, bis es in der jeweiligen Kategorie zum Platzhirsch wird.
Trotz der zum Teil großen Preisunterschiede liege die Marge bei Eigenmarken vor allem im OTC-Bereich um Einiges höher als bei Markenprodukten: „Wer aber Marke haben will, der bekommt sie auch“, versichert Strauch. Seinen Angaben zufolge macht die Apotheke mit den Eigenmarken einen Umsatz im einstelligen Millionenbereich. „Eigenmarken werden bestens angenommen, wenn sie gute Qualität haben“, so sein Rat. Das Konzept läuft so gut, dass das Portfolio bei Apo-Rot jetzt verdoppelt werden soll. Hinzu kommen sollen etwa Xylometazolin und Bisacodyl, Basentabletten, ein Mückenspray oder auch ein Abnehmshake mit Geschmack.
Auch Fehlgriffe habe es bei Apo-Rot gegeben: So habe man ein ASS-Präparat auf den Markt gebracht, dessen Dosierung zwar aus pharmazeutischer Sicht sinnvoll gewesen sei. Die Kunden hätten damit aber nichts anfangen können. Deshalb sei das Produkte nicht angenommen und in der Folge eingestellt worden. Apo-Rot will bald einen neuen Versuch mit ASS starten – diesmal allerdings in einer marktüblichen Dosierung.
Auch Strauch weiß aus eigener Erfahrung, dass die Logistik ein großes Thema ist. „Man geht durchaus ein Risiko ein. Denn das, was man produzieren lässt, muss man ja auch selbst verkaufen.“ Dabei müssten solche Aspekte wie Haltbarkeitsfristen beachtet werden. Die Lagerkapazitäten müssten auch entsprechend angepasst werden. „Teilweise müssen ganze Jahresmengen eines Präparats eingelagert werden.“ Deshalb habe Apo-Rot die Lagerkapazitäten kontinuierlich ausgebaut. Derzeit verfüge man über ein Lagerfläche von rund 9500 Quadratmeter.
Wie bei Apo-Rot hat auch bei den Klindwort-Apotheken eine hauseigene Kosmetikserie den Anfang gemacht. In Bad Schwartau hatte man darauf verzichtet erst zu testen, wie die Hausmarke bei den Kunden ankommt. Stattdessen wurde gleich eine ganze Serie an Pflegeprodukten für alle Hauttypen lanciert. Mit Erfolg: „Wir haben damit einen Volltreffer gelandet. Die Pflegeserie ist nach wie vor ein Blockbuster“, berichtet Inhaber Kay Klindwort.
Die Idee, Eigenmarken in den Klindwort-Apotheken zu etablieren, sei bereits während seines MBA-Studiums entstanden, berichtet der Pharmazeut. Er ist überzeugt, dass Eigenmarken tolle Möglichkeit bilden, die Kompetenz der Apotheke zu unterstreichen. „Sie helfen auch, die relativ große Austauschbarkeit der Apotheken zu minimieren“, sagte Klindwort.
Denn das Problem sei oft, dass alle Apotheken mehr oder weniger gleich seien, da sie sehr ähnliche Sortimente hätten. „Es ist äußerst schwierig, sich von anderen abzugrenzen“, erklärt der Apotheker. Zwar gebe es die Option, sich zu spezialisieren, besonders sorgsam bei der Auswahl des Personals zu sein und damit die Kundenfreundlichkeiten und die Beratung auf einem hohen Niveau zu halten. Auch spiele eine gute Lage eine wichtige Rolle. Das reiche aber oft nicht, besonders wenn die Apothekendichte hoch sei. Auch im Raum Lübeck, wo die Klindworts ihre Apotheken haben, herrsche Preiskampf.
Hinzu komme, dass viele Menschen oft erst in die Apotheken gingen, wenn sie sich schlecht fühlten. „Wir haben uns entschieden, unser Eigenmarken-Sortiment mit einer Kosmetiklinie zu starten. Wir wollten deutlich machen, dass eine Apotheke auch ein Ort sein kann, an dem man sich etwa Gutes tun kann“, erklärt der Pharmazeut. Im Jahr 2014 hat sich Klindwort entschieden, auch einzelne Schnelldreher aus dem OTC-Bereich als Eigenmarke zu vertreiben. Zunächst wurde Ibuprofen in das Sortiment aufgenommen. Ergänzt wurde das Angebot Mitte vergangenen Jahres um Paracetamol und einem Nasenspray. Ebenfalls 2014 startete der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln. Mittlerweile habe man mehr als 15 Produkte im Portfolio.
Das Geschäft mit den Eigenmarken läuft nach Angaben des Pharmazeuten sehr gut. Sowohl im OTC-Bereich als auch bei den Nahrungsergänzungsmitteln soll mehr als die Hälfte der verkauften Packungen auf die Eigenmarken entfallen. Im Kosmetikbereich werde etwa ein Drittel des Umsatzes mit den Produkten aus der Klindwort-Kosmetikserie generiert.
Gerade das Sortiment im Bereich Nahrungsergänzungsmittel will Klindwort mittelfristig weiter stark ausbauen. Bei der Kosmetiklinie setzt er eher auf eine kontinuierliche Entwicklung in kleinen Schritten. Auch im OTC-Segment schließt der Pharmazeut eine Weiterentwicklung des Portfolios nicht aus. „Allerdings muss man das mit Bedacht tun“, sagt er. Denn hier seien die Interessen der Hersteller partiell betroffen. Deshalb erfordere der Ausbau des Sortiments viel Fingerspitzengefühl, um die Partner aus der Industrie nicht zu verprellen.
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