Das E-Rezept ist da – und könnte den Markt gehörig durcheinander bringen. Von Versendern über Lieferdienste und Plattformen bis hin zu ganz neuen Playern wittern zahlreiche Angreifer ihre Chance, sich ein Stück vom Kuchen abschneiden zu können. Ein Modell könnte schon bald um sich greifen: die Bereitstellung von rezeptpflichtigen Arzneimitteln über Abholfächer außerhalb der Apotheke. In München gibt es bereits entsprechende Pläne.
Mit dem Aufkommen von Abholfächern wurde Ende 2020 in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) dem § 17 mit Absatz 1b eine Ergänzung hinzugefügt. Sogenannte „automatisierte Ausgabestationen“ sind demnach zulässig „zur Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln“, wenn sie
Geregelt ist darüber hinaus die eindeutige Zuordnung der Medikamente: „Die Arzneimittel sind für jeden Empfänger getrennt zu verpacken und jeweils mit dessen Namen und Anschrift zu versehen.“
Während die Vorgaben für Vor-Ort-Apotheken auf das Schließfach am Schaufenster ausgelegt sind, gibt es eine Ausnahmeregelung für die Versender, die bislang allerdings weitgehend ungenutzt geblieben ist:
„Abweichend von Satz 1 sind automatisierte Ausgabestationen zur Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln für den zugelassenen Versandhandel mit Arzneimitteln zulässig, wenn sie bestückt werden, nachdem die Voraussetzungen nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 erfüllt sind.“
Theoretisch könnten Versender – genauso wie Vor-Ort-Apotheken mit Versandhandelserlaubnis – also Abholboxen an allen möglichen Orten installieren. Zwar hatte die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte in Deutschland (APD) mit Blick auf das DocMorris-Konstrukt in Hüffenhardt in einer Resolution vor zwei Jahren klargestellt, dass die Raumeinheit beachtet werden muss, und zwar auch im Zusammenhang mit einer Versanderlaubnis – dazu findet sich im Wortlaut allerdings nichts. Im Gegenteil: Die räumlichen Anforderungen sind bei Versendern explizit ausgenommen; lediglich die Abgabe „durch Automaten oder andere Formen der Selbstbedienung“ ist weiterhin explizit untersagt.
Eine ähnliche Unterwanderung der Vorgaben konnte man in den vergangenen Jahren bereits bei den Rezeptsammelstellen beobachten: Während diese nach § 24 ApBetrO eigentlich genehmigungspflichtig sind und von der Aufsicht genau kontrolliert werden, haben findige Kolleginnen und Kollegen die Blaupause der Pick-up-Stellen von dm & Co. genutzt und mit Verweis auf ihre Versanderlaubnis genehmigungsfreie Rezeptboxen installiert. 2020 gab sogar das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) seinen Segen.
Das größte Handycap für entsprechende Abholfächer war bislang die Vorgabe, dass das Rezept im Original vorliegen musste. Auch die Pick-up-Stellen der Drogerieketten wurden deswegen mangels Nachfrage schon vor vielen Jahren eingestellt. Da die Verordnung künftig aber auf elektronischem Weg übermittelt wird, entfällt diese Hürde. Entscheidend für die Verbreitung solcher „wilden“ Abholfächer wird also sein, ob sie auf Akzeptanz bei den Patientinnen und Patienten stoßen.
Der Münchener Apotheker Michael Grintz ist jedenfalls überzeugt, dass es eine Nachfrage dafür geben wird. Der Inhaber der Bienen-Apotheke am Laimer Platz, der als Partner von Amazon schon vor Jahren für Schlagzeilen gesorgt hat, will seinen Kundinnen und Kunden anbieten, dass sie ihre Bestellungen – auch OTC- und Rx-Medikamente – an diversen Abholfächern an zentralen Standorten in Empfang nehmen können.
Dazu hat er bereits im vergangenen Jahr Verträge mit der Deutschen Bahn sowie dem Startup Myflexbox geschlossen. Beide Partner arbeiten am Aufbau eines sogenannten Smart-Locker-Netzwerks, das lokale Händler, aber auch überregionale Versender für die Auslieferung nutzen können. Während der Staatskonzern seine DB-Box („Box – Die Abholstation“) in Zusammenarbeit mit DHL bundesweit im ersten Schritt an bis zu 800 Bahnhöfen eröffnen will, plant das österreichische Unternehmen seine Schließfächer an allen möglichen gut frequentierten Standorten der einschlägigen Metropolen.
Nach Ansicht von Grintz könnte Click & Collect am Abholfach vor allem für berufstätige Menschen in Frage kommen, die Fächer am Bahnhof etwa richten sich an Pendler. Niemand wolle schließlich den halben Tag auf den Fahrer warten, so sein Argument. Außerdem soll die Abholung günstiger sein als die Lieferung nach Hause.
Danach, dass die großen Versender ebenfalls auf den Zug aufspringen, sieht es derzeit allerdings nicht aus. Bei DocMorris und Shop Apotheke werden rezeptpflichtige Medikamente schon jetzt versandkostenfrei nach Hause geliefert; über DHL und Hermes kann man sich die Ware auch an eine Packstation oder zu einem Paketshop schicken lassen. Und das Zeitfenster bis zur Auslieferung wurde ebenfalls schon auf ein Minimum verkürzt: Wer sein E-Rezept bis 20 Uhr übermittelt, bekommt seine Ware am folgenden Werktag zugestellt.
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