Dr. Kade: Start-up mit 134 Jahren Patrick Hollstein, 30.05.2020 08:09 Uhr
Dr. Kade gehört zu den Überraschungskandidaten im OTC-Bereich. Noch vor wenigen Jahren vor allem als Nischenanbieter in den Bereichen Gynäkologie und Proktologie bekannt, ist der Berliner Hersteller nach mehreren Zukäufen heute breit aufgestellt. Das Team um CEO Felix König versteht es, selbst eingestaubten Marken zu neuem Glanz zu verhelfen.
Dr. Kade Pharmazeutische Fabrik – die offizielle Firmenbezeichnung klingt so antiquiert, dass sie schon wieder einen gewissen „Retro-Chic“ hat. Hinter den Kulissen hat das mehr als 130 Jahre alte Unternehmen allerdings eine regelrechte Verjüngungskur hingelegt: Nicht nur wurden moderne Büroräume im traditionsreichen Ullsteinhaus in Tempelhof bezogen.
Vollkommen überraschend erhielt Dr. Kade 2013 den Zuschlag für neun Produkte von Takeda/Nycomed, darunter Riopan, Faktu, Sanostol, Buer Lecithin und Buer Vitamaxx. Möglicherweise hatten der Standort in Konstanz andere Interessenten abgeschreckt. Gerade erst hat Kade dieses Kapitel abgeschlossen – den ebenfalls übernommenen, heute 30-köpfigen Außendienst dagegen mit der Auflösung von Avenda und Integration bei Dr. Kade gestärkt.
2017 kaufte Kade einige kleinere Marken von Hexal: Femikliman, Silicur, Prostaforton, Luvased und Vitaferro. Von nun an ging es Schlag auf Schlag: Anfang 2019 wurde der Kosmetikhersteller Sirius (Siriderma) übernommen, wenige später sicherte sich das Unternehmen die Vertriebsrechte für die Entgiftungsprodukte der österreichischen Marke Panaceo. Zuletzt stieg Dr. Kade beim Start-up Daizu ein, das gerade die Apotheken als relevanten Vertriebskanal für seinen Schlafdrink Sleep Ink entdeckt hatte.
Auch im Marketing weht daher bei Dr. Kade ein frischer Wind. Für das Intimpflegeprodukt Posterisan hat sich das Team um Ute Wynands die virale Kampagne „Pojucken“ ausgedacht, eine weitere für die Intimpflegeserie rund um Kadefungin („Holy Schritt“). Bei Buer Lecithin wird bewusst mit Retromotiven gespielt, bei Sanostol wird der Familienalltag mit all seinen Facetten augenzwinkernd aufgegriffen, um nur einige Beispiele zu nennen.
So richtig passend war der Auftritt als „Dr. Kade Pharma“ zuletzt nicht mehr; gerade erst wurde in den Büroräumen das neue Logo „Dr. Kade Health Care“ montiert. Der neue Schriftzug soll die strategische Weiterentwicklung vom Hersteller pharmazeutischer Produkte zum vielseitigen Anbieter ganzheitlicher Gesundheitslösungen verdeutlichen.
„Der Anspruch der Menschen an Wohlbefinden und Gesundheit wird immer höher und individueller. Wir wollen diesem Anspruch in einer zunehmend digitalen und sich schneller verändernden Healthcare-Welt gerecht werden“, sagt König. „Dazu müssen wir das Unternehmen in Bewegung halten und immer wieder neue Wege gehen. Dies wollen wir auch in der Außendarstellung zeigen.“
König und sein Team ist es aber auch gelungen, intern diese Aufbruchstimmung zu erzeugen. In den stylischen Bürolofts im historischen Ullsteinhaus in Tempelhof herrscht Start-up-Atmosphäre – zugleich wurde mit dem Umzug am alten Standort in Mariendorf Platz geschaffen für die Produktion. Eine „Heimat für Gestalter“ will Dr. Kade sein – am umkämpften Berliner Arbeitsmarkt müssen auch (oder gerade) Pharmafirmen kreativ sein.
Auch wenn bei so vielen parallel Baustellen das eine oder andere liegen bleibt: Die Umsatzzahlen geben König und seinem Managementteam recht. Nach Zahlen von Insight Health konnte Dr. Kade sein OTC-Geschäft im vergangenen Jahr nach zwei Jahren Pause deutlich ausbauen: Mit einem Plus von 5 Prozent wuchs der Berliner Hersteller doppelt so stark wie der Markt. Mit Umsätzen 85 Millionen Euro (Apothekenverkaufspreise, AVP) gehört Dr. Kade zu den führenden OTC-Herstellern. Und geht es nach König, fängt die Wachstumsstory gerade erst an.