Noch vor wenigen Jahren war Meda allenfalls Insidern ein Begriff. Doch mit Unterstützung einer prominenten Investorenfamilie hat sich der ehemalige schwedische Reimporteur zu einem globalen Pharmakonzern gemausert. Seit einem Jahr steht der deutsche Pharmamanager Dr. Jörg-Thomas Dierks an der Spitze des Unternehmens. Mit der Übernahme von Rottapharm/Madaus ist ihm der bislang größte Deal in der Meda-Geschichte gelungen. Im Interview erklärt er, wie es für die deutsche Belegschaft weitergeht und warum an Zukäufen auch zukünftig kein Weg vorbei führt.
ADHOC: Was ist das Besondere an Meda?
DIERKS: Wir sind einer der weltweit führenden spezialisierten Pharmahersteller mit Schwerpunkt in den Bereichen Dermatologie, Atemwegserkrankungen und – seit der Übernahme von Rottpharm/Madaus – Schmerz und Entzündung. In diesen Indikationen erwirtschaften wir 50 Prozent unserer Erlöse; gleichzeitig macht unser wichtigstes Produkt gerade einmal 4 Prozent unseres Umsatzes aus.
ADHOC: Warum sollte sich ein Hersteller spezialisieren?
DIERKS: Durch unsere Fokussierung können wir Spezialwissen aufbauen, das bei den Ärzten Anerkennung findet und das auch die Akzeptanz für neue Produkte erhöht. Außerdem können wir Synergien besser nutzen und effektiver arbeiten. Bei Meda gibt es keine Forschung und Entwicklung; auch die Produktion steht nicht im Fokus. Wir konzentrieren uns innerhalb der Wertschöpfungskette auf den Vertrieb eines speziellen Portfolios für bestimmte Facharztgruppen – und das weltweit.
ADHOC: Wie passen Altoriginale wie Cibacen/Cibadrex, Marcumar oder Tambocor in dieses Konzept?
DIERKS: Diese Produkte waren der erste Schritt auf dem Weg zur Internationalisierung und sie sind bis heute als Ertragsbringer sehr interessant.
ADHOC: Warum haben Sie Rottapharm/Madaus gekauft?
DIERKS: Seit der Übernahme machen OTC-Produkte rund 40 Prozent unseres Konzernumsatzes aus. Dieses Verhältnis ist aus meiner Sicht perfekt, um staatliche Eingriffe im Rx-Bereich auszugleichen. Gleichzeitig haben wir deutlich an Präsenz in den Schwellenländern gewonnen. Das führt zu langfristigem Wachstum: Während die westlichen Märkte stagnieren, bekommen beispielsweise in Südostasien immer mehr Menschen Zugang zu modernen Arzneimitteln.
ADHOC: Sie haben das Vierfache des Umsatzes beziehungsweise das Vierzehnfache des Ertrags bezahlt. Warum so viel?
DIERKS: Wenn Sie die Synergien berücksichtigen, sinkt die Quote weit unter 10. Natürlich ist der Markt aufgeheizt, aber wir leben nun einmal im Hier und Jetzt. Dafür sind derzeit die Zinsen niedrig – etwas sehr wichtiges für uns, da der Kauf weitestgehend über Kredite finanziert wurde. Entscheidend ist am Ende, ob sich die von den Investoren erwartete langfristige Wertsteigerung erzielen lässt. Bis jetzt haben alle unsere Übernahmen zusätzliche Erträge gebracht.
ADHOC: Wie soll Meda in zehn Jahren aussehen?
DIERKS: Wir sind heute unter den drei größten spezialisierten Pharmaherstellern in Europa und wir wollen einer der größten der Welt werden. Das wird uns auch gelingen. Ich weiß, dass das ehrgeizig klingt – immerhin haben wir unsere Erfahrungen gemacht: 2005 hat niemand zugehört, wenn wir über unsere Vision gesprochen haben. Später haben die Leute geschmunzelt, aber heute werden wir ernst genommen. Im Grunde gibt es keine Alternative. „Fressen oder gefressen werden“, vor dieser Frage steht jeder Hersteller.
ADHOC: Das klingt ziemlich darwinistisch.
DIERKS: Unser Markt ist noch sehr fragmentiert. Von den Firmen, die wir heute kennen, wird es künftig nur noch wenige geben. Wir befinden uns bereits mitten in einem gewaltigen Konzentrationsprozess – vor dem man keine Angst haben muss: Andere Branchen haben diese Entwicklung längst hinter sich, beispielsweise die Automobilindustrie. Als Hersteller muss man sich entscheiden, welche Rolle man einnehmen will.
ADHOC: Wo steht Meda in der Nahrungskette?
DIERKS: Appetit ist unserer Antrieb. Mein Ziel ist es, den Umsatz von Meda in den kommenden Jahren erneut zu verdoppeln. Wir werden wachsen, organisch genauso wie durch Übernahmen. Der nächste Schritt folgt bald.
ADHOC: Verlierer sind in solchen Situationen oft die Mitarbeiter, die plötzlich ohne Job dastehen.
DIERKS: Wir wollen ein guter Arbeitgeber sein und wir haben ein Interesse daran, so vielen guten Mitarbeitern wie möglich ein neues Zuhause mit Langzeitperspektive zu bieten. Aber ich kann nicht jeden Arbeitsplatz erhalten, denn sonst verlieren am Ende alle ihren Job. Jedes Unternehmen muss wirtschaftlich erfolgreich sein, sonst überlebt es nicht. In solchen schwierigen Momenten muss man ehrlich sein und den Menschen mit Transparenz und Respekt begegnen. Schmerz wird nicht dadurch geringer, dass er länger anhält.
ADHOC: Wird Rottapharm/Madaus weiter existieren?
DIERKS: Wenn man durch Übernahmen wachsen will, muss man es auch ernst meinen. Eine zügige und konsequente Integration ist das A und O. Wir wollen nicht zwei Teams an zwei Standorten, sondern ein Team an einem Standort mit gemeinsamen Werten.
ADHOC: Wer andere Werte hat, muss diese also ablegen?
DIERKS: So ist das im Geschäftsleben. Wer eine Firma verkauft, der sieht keine Zukunft. Wir fusionieren ja nicht unter Gleichen, sondern wir übernehmen, wir kaufen. Ich glaube aber auch nicht, dass es schwierig ist, sich mit unseren Werten zu identifizieren: Leidenschaft für den Kunden, gegenseitiger Respekt und Vertrauen sollten selbstverständlich sein.
ADHOC: Wie bringen Sie Mitarbeiter dazu, Teil der Familie zu werden?
DIERKS: Die ersten drei Monate entscheiden. Bei uns hat man viele Freiheiten und viel Verantwortung. Wer damit zurecht kommt, der bleibt gerne auch bis zur Rente bei Meda. Wir sind schnell und direkt, aber wir wollen, dass die Leute gerne bei uns arbeiten.
ADHOC: Selbst Giganten wie Novartis und GSK tun sich zusammen. Warum glauben Sie, neben solchen Strukturen bestehen und sogar wachsen zu können?
DIERKS: Es stimmt, der Markt ist extrem in Bewegung, die großen Konzerne haben viel Staub aufgewirbelt. Aber das ist ideal für Angreifer wie uns, die in der schnelllebigen Zeit besser zurecht kommen, weil sie schneller handeln können und weniger dogmatisch sind. Auch die zunehmende Spezialisierung entlang der Wertschöpfungskette macht es für Firmen wie uns viel einfacher, an neue Ideen und Produkte zu kommen.
ADHOC: Wie wollen Sie sich diese Identität auf Dauer bewahren?
DIERKS: Wir wollen kein schwerfälliger Tanker werden, der zwölf Kilometer braucht, um wenden zu können. Auch wenn wir wachsen, sind uns unsere direkten Strukturen und flachen Hierarchien wichtig. 80 Prozent der Entscheidungen werden bei uns innerhalb eines Tages gefällt – und dann auch bis zum Ende umgesetzt. Das hat mit unserer schwedischen Kultur zu tun. 4000 unserer 5000 Mitarbeiter nennen mich Jörg.
ADHOC: Wie verhindern Sie, dass Meda selbst gefressen wird?
DIERKS: Wir müssen unsere Anleger immer wieder von unserer Vision begeistern, damit sie gerne bei uns investieren und langfristig dabei bleiben. Wir haben jetzt zwei starke Familien als Ankerinvestoren an Bord, aber wir werden auch insgesamt für die Finanzmärkte attraktiver: Noch vor drei Jahren hatten wir 85 Prozent schwedische Investoren, heute sind es 55 Prozent. Während unsere Branche einen Ausverkauf an US-Konzerne erlebt, gehen wir einen komplett anderen Weg und verstärken uns als europäische Firma. Das eröffnet uns viele Möglichkeiten.
ADHOC: Zweifeln Sie manchmal an Ihrem Weg?
DIERKS: Ich bin mir sicher, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, richtig ist. Wir gehen schnell, aber jeden Schritt nacheinander, wir sind realistisch und stehen auch zu Fehlern, die wir machen. Und wir haben keine Angst vor Konkurrenz. Deswegen mache ich mir auch keine Sorgen darüber, dass sich die Rahmenbedingungen ständig verändern. Wir reflektieren viel und sind bislang immer zu dem Ergebnis gekommen, dass unser Geschäftsmodell funktioniert. Wir hätten aber auch die Fähigkeit, uns zu verändern.
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