Großformatige Werbung, junge Zielgruppe und Premiumsegment: Weleda hat sich mit der neuen Zukunftsstrategie viel vorgenommen. Die Pläne lassen klar die Handschrift von Tina Müller erkennen, die im Oktober von Douglas zum schweizerischen Naturkosmetik- und Arzneimittelhersteller wechselte. Bei Weleda fügt sie ein neues Kapitel dazu – und wo bleiben die Apotheken? Ein Kommentar von Carolin Ciulli.
Müller arbeitet bei Weleda an einem neuen Bestseller. Die ehemalige Douglas-Managerin setzt auf plakative Außenwerbung und stellt die Marke in den Vordergrund. Weleda soll – wieder einmal – modernisiert werden und das auf allen Ebenen, so das Credo. Zahlentechnisch soll sich der Umsatz in den kommenden sechs Jahren verdoppeln.
Dabei helfen sollen diese vier Stichworte: Innovation, Internationalisierung, Digitalisierung und Premiumisierung. Die Parallelen zum Parfümeriekonzern fallen klar auf. Auch bei Douglas setzte Müller auf eine Digitalisierung und fuhr mit dieser Strategie gerade in der Corona-Zeit genau richtig. Auch der Ausbau des Exportgeschäfts dürfte der Managerin gelingen – die Wachstumszahlen in Ländern wie Großbritannien und Brasilien geben ihr dabei Recht.
Den Fokus auf Innovation und Premiumisierung hat das schweizerische Unternehmen unter anderem mit der Produktlinie Skin Food gesetzt und legt damit endgültig das Image eines drögen Öko-Herstellers ab. Weleda versteht sich als „B Corporation“ und damit als Teil einer globalen Bewegung, die für eine integrative, gerechte und regenerative Wirtschaft steht. Deshalb vergisst Müller beim Marketing auch die Nachhaltigkeit nicht.
Doch was ist mit den Händlern? Wie fühlt es sich für sie an, wenn plötzlich E-Commerce und damit der eigene Webshop in den Vordergrund gerückt und mit hohen Rabatten beworben wird? Gerade in den Apotheken wird derzeit vielerorts die Freiwahl durchforstet, Marken werden auf den Prüfstand gesetzt. Inhaberinnen und Inhaber fragen sich dabei nicht nur, wie die Retourenregelung ist, ob die Marge passt, sondern auch, ob die Zielgruppe überhaupt den Weg bis zum Apothekenregal findet.
Müller ist eine Visionärin und ging mit Douglas sicher viele richtige Schritte. Dafür, dass es letztlich mit dem Einstieg in den Pharma- und Apothekenbereich nicht funktioniert hat, gibt es verschiedene Gründe. Doch eine Vision ist nur so lange gut, wie sie realistisch umsetzbar ist. Weleda darf bei der Neuausrichtung und dem Fokus auf eine junge Zielgruppe weder die Stammkundschaft noch den Vertriebskanal Apotheke vergessen.
Dort liegt das Potenzial der Beratung, der fachliche Hintergrund gerade mit Blick auf die anthroposophischen Arzneimittel. Diese Sparte macht immerhin 20 Prozent des Umsatzes aus. Auch wenn Pharma allein wegen der eingeschränkten Werbemöglichkeit weniger glamourös erscheint, ist der Bereich etwa für die Anhänger aus der Ärzteschaft wichtig und die Kundschaft will in der Apotheke aufgeklärt werden. Wenn Müller also das Kapital in diesem Tempo weiterschreibt, sollte sie aufpassen, damit nicht den falschen Wendepunkt zu setzen.
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