Ein Satz mit X: Nur ein Jahr nach der Übernahme der Versandapotheke Vitalsana steigt der Werbekonzern Ströer schon wieder aus dem Apothekenmarkt aus. Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC will DocMorris den bisherigen Konkurrenten übernehmen.
Nach Information von Personen, die mit dem Vorgang vertraut sind, sind sich Ströer und DocMorris bereits handelseinig, einen Notartermin hat es aber wohl noch nicht gegeben. Ob Ströer auch mit anderen Interessenten gesprochen hat, ist nicht bekannt. DocMorris wäre aber schon wegen der räumlichen Nähe in Heerlen der ideale Partner. Walter Oberhänsli, Chef des DocMorris-Mutterkonzerns Zur Rose, hatte bereits nach dem Einstieg bei Eurapon erklärt, nach weiteren Übernahmekandidaten Ausschau zu halten. Er steht unter Druck, nach dem Börsengang und den Gerüchten um einen Einstieg von Amazon beim Konkurrenten Shop-Apotheke eine Wachstumsstory erzählen zu können.
Ströer hatte Vitalsana im vergangenen Jahr für 4,5 Millionen Euro übernommen. Dem Vernehmen nach hatten die Altgesellschafter weitere Zahlungen zu späteren Zeitpunkten vereinbaren können, sodass der Deal in der Summe für sie lukrativ war.
Der Werbekonzern war überzeugt, mit Vitalsana einen wichtigen Baustein für seine Vermarktungsmaschinerie gefunden zu haben. Kurz nach der Übernahme starteten mehrere Werbeoffensiven – sehr zum Ärger von Apothekern: Großformatige Plakate wurden teilweise direkt vor Apotheken platziert; mit dabei waren Produkte wie Thomapyrin (Boehringer/Sanofi) und Voltaren (GlaxoSmithKline).
In der Folgezeit hatte Ströer Gespräche mit weiteren potenziellen Übernahmekandidaten geführt; unter anderem soll der Konzern bei Apo-Discounter die Bücher geprüft haben. Ein Deal kam aber nie zustande, stattdessen zieht man in Köln jetzt offenbar die Reißleine. „Die haben sich völlig verschätzt“, sagt ein Branchenkenner. Eine offizielle Stellungnahme gab es nicht; man kommentiere keine Gerüchte, sagte ein Sprecher. Dieselbe Antwort gab es von DocMorris.
Vitalsana war im August 2007 von der Drogeriekette Schlecker gegründet worden. Im Februar 2008 nahm die Versandapotheke mit Sitz im niederländischen Heerlen nach einer Testphase und juristischen Auseinandersetzungen ihren regulären Geschäftsbetrieb auf. Im Juni lagen die Kataloge dann auch bei den damaligen Schlecker-Töchtern „Ihr Platz“ und „drospa“ aus. Im August 2008 wurden die ersten Pick-up-Aufsteller in den Filialen installiert. Aus den roten Zahlen kam Vitalsana trotz der Präsenz in der Fläche nie hinaus.
Nach der Pleite der Drogeriekette war die Zukunft der ehemals hauseigenen Versandapotheke lange ungewiss. Schließlich übernahm das Management im September 2012 die Führung selbst: Der ehemalige Chefcontroller von Schlecker, Marcus Breyer, und Winfried Filzek führten Vitalsana seitdem in Eigenregie. Breyer war mit zwei Dritteln an der gemeinsamen Holding HBF Capital beteiligt, Filzek zu einem Drittel. Geschäftsführer und Chefapotheker bei Vitalsana ist heute der DocMorris-Gründer Jacques Waterval. Filzek ist ebenfalls noch an Bord, er führt die Großhandelstochter ApDG mit Sitz in Ulm.
Bevor der Deal mit Ströer zustande kam, hatten Filzek und Breyer für die Investorensuche einen Verkaufsprospekt aufgelegt. Demzufolge hatte Vitalana im Jahr 2014 rund 70 Mitarbeiter und 1,6 Millionen Kunden, wobei nur ein Drittel der Aufträge über den Webshop kam. Der überwiegende Teil des Geschäfts lief über Katalog und Call Center, außerdem gab es 110.000 Abonnenten des Newsletters. Eine Zeitlang lagen die Prospekte bei der Supermarktkette Netto aus. Das Rx-Geschäft spielte traditionell keine größere Rolle.
Vitalsana rechnete damals damit, den Umsatz bis 2017 auf 32 Millionen Euro steigern zu können. Deutlich mehr Musik wäre im Geschäft, würden drei Millionen Euro in den Betrieb investiert, hieß es im Prospekt: Dann hätten die Erlöse auf 55 Millionen Euro mehr als verdoppelt werden sollen, bei einem operativen Ergebnis (EBIT) von knapp 3 Millionen Euro. Bei der Übernahme Ende 2016 beliefen sich die Erlöse laut Ströer auf rund 30 Millionen Euro.
Beim Mediakonzern überwog nach der Übernahme die Euphorie, ein neues attraktives Geschäftsfeld besetzt zu haben: „Onlineapotheken sind stark marketinggetriebene Geschäftsmodelle. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren zur Erreichung einer attraktiven Marge ist daher der direkte Zugang zu den richtigen Medienangeboten mit hoher Reichweite in den Kernzielgruppen“, kommentierte Ströer-COO Christian Schmalzl. „Vor dem Hintergrund unserer medialen Stärke sehen wir signifikante organische und anorganische Wachstumschancen. Vitalsana passt perfekt in das Ökosystem von Ströer.“
Schmalzl erwartete bei der Übernahme signifikante Synergien sowohl auf der Media-, als auch auf der Produktseite: „Mit unseren Medien treiben wir den Umsatz in unserem neuen Kanal Onlineapotheke und mit unserem neuen Kanal Onlineapotheke treiben wir den Umsatz für unsere Health & Beauty Angebote wie Asam Beauty und BodyChange.”
Ströer sah sich mit Out-Of-Home-Medien in der Lage, die Gesamtbevölkerung als Basiszielgruppe für Online-Apotheken umfassend anzusprechen. „Darüber hinaus fokussieren Versandapotheken besonders auf die Kernzielgruppe 40plus, welche exakt über die reichweitenstärkste deutsche Internetplattform t-online.de und StayFriends erreicht werden.“ Die 2015 übernommene Plattform sei „inhaltlich die ideale Plattform für Health- und Well Being-Produkte“.
Einer ähnlichen Logik war zuvor die Übernahme von Windstar Medical durch ProSiebenSat.1 gefolgt. Der Konzern hatte den Hersteller über seine Tochterfirma 7Life mehrheitlich übernommen, um sein Angebot an „TV-affinen Lifestyle Commerce-Produkten und -Märkten“ auszubauen. Die Gruppe zählt zu einem der führenden Anbieter von Gesundheitsprodukten außerhalb der Apotheke. Im Mass Market bietet das Unternehmen Marken wie Well & Slim, Greendoc, Vitalia und S-O-S an. Über den Online-Shop Goodvita werden die Produkte direkt verkauft. Auch die großen Handelsketten lassen ihre Eigenmarken bei der Gruppe produzieren. Bekannte Abnehmer sind beispielsweise dm, Aldi, Rewe mit den DocMorris-Eigenmarken und Vitalsana.
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