DocMorris will sich notfalls gerichtlich gegen das Verbot von Rx-Boni im Sozialgesetzbuch V wehren. Das kündigte Vorstandschef Olaf Heinrich an. Er rechne aber ohnehin damit, dass das Gesetz erst gar nicht verabschiedet wird, weil Brüssel sich querstellt. Gleichzeitig kündigte Heinrich eine Kooperation mit Apotheken vor Ort an: DocMorris werde eine Plattform einrichten, bei der Patienten online bestellen und dann in der Vor-Ort-Apotheke abholen können.
Ungeachtet des Ärgers über das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Apothekenstärkungsgesetz bewertet Heinrich die Aussichten positiv. DocMorris darf zwar wegen des Fremdbesitzverbots auch künftig keine eigenen Apotheken in Deutschland betreiben. Angepeilt ist aber eine enge Kooperation mit lokalen Apothekern. Hier würde DocMorris eine Internet-Plattform anbieten, auf der ortsansässigen Apotheker eigene Angebote einstellen könnten.
Nach Ansicht von Heinrich müssten Online-Handel und stationäre Pharmazeuten enger vernetzt sein. So sollten Patienten Medikamente künftig online bestellen und dann festlegen können, in welcher stationären Apotheke sie das Präparat noch am selben Tag mitnehmen oder ob sie es über den Versandweg beziehen wollen. Zudem könnte so eine Plattform Apothekern mehr Daten als bisher liefern. Auf die Frage, ob sich in der deutschen Apothekerschaft überhaupt Partner melden würden für die Kooperation, sagte Heinrich: „Die Bereitschaft ist da. Der Branche ist klar, dass sie im Zuge der Digitalisierung und veränderter Kundengewohnheiten vor großen Herausforderungen steht.“
Ein solcher Schritt hatte sich mit der Übernahme der deutschen Versandapotheke Apo-Rot im Mai vergangenen Jahres bereits angekündigt. Unter der Marke gibt es bereits eine Kooperation mit Vor-Ort-Apotheken. Möglicherweise will die Zur Rose-Tochter hier ansetzen und das Modell ausrollen. Das „Click&Collect”-Modell der Vor-Ort-Apotheken von Apo-Rot wurde nach der Übernahme fortgeführt und sollte in einer späteren Phase auf den gesamten Kundenstamm von DocMorris ausgedehnt werden. Ein Franchise-System von DocMorris gab es bereits in der Vergangenheit, dieses wurde aber nach dem Verkauf der gleichnamigen Versandapotheke samt Marke von Celesio (heute McKesson) an Zur Rose eingestellt. Jetzt kündigt Heinrich den zweiten Anlauf an.
DocMorris droht außerdem mit einer Klage, sollte das von der Bundesregierung geplante Apothekenstärkungsgesetz in seiner jetzigen Form verabschiedet werden. „Wir würden alle unsere rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“, sagte Heinrich. Aus seiner Sicht verstößt das Gesetzesvorhaben gegen Europarecht. „Die Bundesregierung würde damit ein ähnliches Desaster erleben wie mit der Pkw-Maut.“ Heinrich rechnet aber ohnehin damit, dass die Bundesregierung die Bewertung durch die EU-Kommission abwartet und dann noch einlenkt: „Das Gesetz wird so nicht kommen, denn es ist offensichtlich, dass es europarechtswidrig ist.“
Mit dem Gesetz sollen auch Versender aus dem EU-Ausland wieder an die Rx-Preisbindung gebunden werden. Das wäre ein Rückschlag für DocMorris sowie die ebenfalls niederländische Shop-Apotheke, die seit dem EuGH-Urteil im Oktober 2016 massiv auf Rx-Boni von bis zu 30 Euro setzen und so im Geschäft mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln Marktanteile gewinnen wollen. Vor allem von der Einführung des E-Rezepts versprechen sich die Versender einen Schub für ihr Geschäft.
DocMorris gehört zum Schweizer Handelskonzern Zur Rose. Die Tochterfirma sitzt im niederländischen Heerlen direkt hinter der Grenze unweit von Aachen. Das Unternehmen mit etwa 600 Mitarbeitern ist auf Wachstumskurs, 2017 machte es einen Umsatz von 370 Millionen Euro und damit 39 Millionen Euro mehr als ein Jahr zuvor. Seit 2018 werden keine Firmenzahlen mehr kommuniziert, seither fließt DocMorris ins Deutschlandgeschäft von Zur Rose ein. Der Deutschlandumsatz von Zur Rose lag 2018 bei 671 Millionen Euro, knapp 39 Prozent über dem Vorjahreswert – der größte Teil entfiel auf DocMorris.
Dieses Jahr sieht der Konzern die politische Wetterlage für die geschäftliche Expansion gegeben. 2019 werde das Jahr der Versuche und Pilotprojekte, kündigte CEO Walter Oberhänsli im Frühjahr an. Nicht nur das Apothekenstärkungsgesetz spielt dabei eine Rolle, sondern auch der neue Schwung bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Die geplante Einführung des E-Rezepts löst bei Zur Rose Euphorie aus. „Das ist eine Chance für uns, auf die lange gewartet haben“, so Oberhänsli. Er halte eine Steigerung Marktanteils im Rx-Bereich auf 10 Prozent für durchaus realistisch, was dann 1,9 Milliarden Euro an zusätzlichen Erlösen in die Kasse spülen würde.
Der Firma kam im Oktober 2016 das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zugute, der die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten bei grenzüberschreitendem Warenverkehr in der EU gekippt hat. Allerdings bezog sich der EuGH hierbei auf das Arzneimittelrecht. Das Bundesgesundheitsministerium will Rx-Arzneimittel für GKV-Versicherte nun aber in die Sozialgesetzgebung verschieben, wo – so die Lesart des Ministeriums – eine nationale Regelung trotz des EuGH-Urteils möglich sei. Dies hält DocMorris-Chef Heinrich für einen „Taschenspielertrick“.
Durch die Gesetzesänderung dürfte DocMorris GKV-Versicherten – und damit etwa 90 Prozent aller Versicherten in Deutschland – auf Rx-Präparate keinen Bonus mehr anbieten. Der Verkauf von Rx-Präparaten ist für DocMorris aber wichtig, 2017 machte es knapp zwei Drittel seiner Umsätze damit. Die Rezeptboni sind laut dem EuGH aber nötig, um den Wettbewerbsnachteil – die Distanz zum Kunden – ausgleichen zu können im Vergleich zur stationären Konkurrenz. Mit der Gesetzesänderung wolle das Bundesgesundheitsministerium eine „Schutzmauer“ für deutsche Apotheker bauen, die mehr Wettbewerb behindern würde, sagt Heinrich.
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