Neues Kapitel im schier endlosen Streit zwischen den Apothekern und DocMorris: Das Landgericht Düsseldorf verhandelt ab 13.30 Uhr eine Klage der Versandapotheke gegen die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR). Gefordert werden mehr als 15 Millionen Euro Schadenersatz. Ein Urteil wird nicht erwartet, dies könnte später im Frühjahr folgen. Die Kammer hält die Forderung für unbegründet.
Jahrelang hatte DocMorris mehr oder weniger versteckt Rx-Boni gewährt, obwohl dies gegen deutsches Recht verstieß. Die AKNR hatte die Versandapotheke deshalb mehrfach verklagt und war vor Gericht auch erfolgreich: Schon Ende 2012 hatte die Kammer eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Köln (LG) erwirkt. Die Richter sahen im „Arzneimittelcheck“ einen getarnten Rx-Bonus und verboten auch Abwandlungen des Rabattmodells der Zur Rose-Tochter. Das Oberlandesgericht Köln (OLG) bestätigte die Entscheidungen.
DocMorris vertritt den Standpunkt, dass die Rx-Boni fälschlicherweise für unzulässig erklärt wurden und die Verbote damit von Anfang rechtswidrig waren. In diesem Fall kann laut Zivilprozessordnung Schadenersatz geltend gemacht werden, allerdings müssen der Schaden konkret beziffert und ein kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden. Für den Zeitraum 2012 bis 2015 fordert die Tochter von Zur Rose von der AKNR Schadenersatz, weil diese die Geschäfte durch juristische Interventionen verhindert habe.
Bei DocMorris gab man sich im Mai 2017 zuversichtlich, die Forderungen von zunächst 2,6 Millionen Euro durchzusetzen. Juristen zweifeln an den Erfolgsaussichten: In der Rechtsprechung kommt es extrem selten vor, dass Schadenersatzklagen erfolgreich sind. Allenfalls Kosten lassen sich geltend machen, entgangene Umsätze lassen sich so gut wie nie nachweisen. Entsprechend verwundert zeigen sich Beobachter über die Aktion. Auch strategische Erwägungen dürften angesichts der geringen Erfolgsaussichten keine Rolle spielen. Und DocMorris müsste im Verfahren schwierige Nachweise führen, die auch Interna ans Licht bringen würden.
Weil DocMorris gegen die gerichtlichen Verbote verstieß, wurden in mehreren Fällen rechtskräftig Ordnungsgelder gegen die Versandapotheke verhängt – in insgesamt siebenstelliger Höhe. Die DocMorris-Anwälte rieten ihrer Mandantin jedoch dazu, nicht zu bezahlen. In diesem Fall werden fällige Beträge normalerweise gepfändet. Das war in diesem Fall mit einer Vollstreckung im Ausland aber nicht so einfach. Zudem hat DocMorris es geschickt verstanden, eigene Ansprüche – etwa gegenüber den Krankenkassen – an Dritte abzutreten, um eine Pfändung zu vermeiden.
Der Plan ging auf: In mehreren Fällen verjährten die Ordnungsgelder, DocMorris hatte die Strafen einfach ausgesessen. Und dann urteilte der EuGH am 19. Oktober 2016, dass ausländische Versandapotheken bei der Bonusgewährung nicht an die deutschen Preisvorschriften gebunden sind. Nach diesem Erfolg in Luxemburg ging DocMorris schnell zurück zum LG Köln und beantragte die Aufhebung der Beschlüsse, auf denen die Ordnungsgelder fußen.
Das LG hat diesem Antrag stattgegeben und seine eigene einstweilige Verfügung aus dem Jahr 2013 aufgehoben – und zwar „ex tunc“, also ab dem Zeitpunkt des Erlasses. Mit anderen Worten: DocMorris hätte die Boni-Gewährung nie verboten werden dürfen, weshalb auch die Ordnungsgelder zu Unrecht verhängt wurden. Das LG sah sich angesichts der Entscheidung des EuGH gezwungen, seine frühere Rechtsprechung zu korrigieren.
Die Zivilprozessordnung spricht von einer „Aufhebung wegen veränderter Umstände“. In diesem Fall hatte das LG seine früheren Urteile auf vermeintliche Verstöße von DocMorris gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) gestützt. Das sei nach dem EuGH-Urteil nicht mehr möglich, wonach die Preisvorschriften für EU-Versender gar keine Anwendung finden.
Das Gericht hat die gesamten Prozesskosten der Apothekerkammer auferlegt. Weil dies sowohl das Anordnungs- und Widerspruchsverfahren, als auch das Aufhebungsverfahren betrifft, kommt Einiges zusammen. Die Kammer trägt die Gerichtskosten und die Anwaltskosten für sich und die Gegenseite – jeweils festgelegte Sätze aus dem Streitwert von in diesem Fall 100.000 Euro. Insgesamt gab es allerdings fünf Verfahren zwischen Kammer und DocMorris, es dürfte allein an Verfahrenskosten um einen rund sechsstelligen Betrag gehen. Diese Entscheidungen könnte die Versandapotheke nun allesamt noch abräumen.
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