Kommentar

DocMorris: Virtuelle Versenderfantasien

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Berlin -

Genauso wie auch die Abda und der Rest der Apothekerschaft seine Meinung zum Apotheken-Reformgesetz haben, dürfen dies natürlich auch die anderen Lobbyisten. Ob es hierbei allerdings immer um das Patientenwohl geht, sei dahin gestellt. So könnte der geneigte Tagesspiegel-Leser durchaus viel Verständnis für die Apothekenthemen herauslesen, wenn er den Gastbeitrag von DocMorris-CEO Walter Hess liest. Doch dass ein „Höher-schneller-weiter“ für die Versender nicht immer zum Besten der Patient:innen ist, versteht leider wohl nur, wer sich besser mit der Materie auskennt.

So sieht zwar auch Hess, dass an der Vergütung etwas getan werden muss, er wird dabei aber nicht konkret. Stattdessen würde er den Apotheker:innen am liebsten die Botendienstgebühr nehmen, schließlich bekomme der „Versandapotheker“ ja auch kein Geld dafür, dass er seine Ware zu den Kund:innen bringt. Und verschweigt dabei, dass auch Versandapotheken hin und wieder Versandkosten bei den Kund:innen erheben. Das könnte man als „Äpfel mit Birnen vergleichen“ bezeichnen, aber wie viel durch Prozessoptimierung und Konditionenverhandlungen von der Versandpauschale vielleicht doch beim Versender verbleibt, weiß niemand. Und dass die Botendienstgebühr kein 1:1-Gewinn ist, sondern davon auch Botenauto und Botenfahrer:in bezahlt werden müssen, ist klar.

Er spricht an dieser Stelle von mangelnder Gleichberechtigung, wobei Inhaber:innen das zynische Lachen fast im Halse stecken bleiben könnte. Ein Konzern, der es ausnutzt, sich im Ausland nicht an geltendes deutsches Recht halten zu müssen, fordert jetzt Gleichberechtigung – das war auch schon das zündende Argument beim Rx-Versand oder auch neuerdings in Sachen E-Rezept beim CardLink-Verfahren. Das ist Gier vom Feinsten.

Stattdessen haut Hess – wie auch schon die eine oder andere Krankenkasse – bei den nicht genutzten Geldern für die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) drauf. Dabei hat er aber natürlich andere Interessen als die Kassen, die die Töpfe am liebsten gleich auflösen würden. Er will stattdessen Beteiligung für die Versender. Schließlich könnten auch diese pDL leisten und entsprechend honoriert werden. Kennt man ja: Blutdruck messen jetzt auch bei DocMorris. Aber nein, hier kann Hess natürlich nicht anknüpfen. Stattdessen könne die „erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ doch aber bestens in die Telepharmazie übertragen werden. Da könnte man schon fast an Rosinenpickerei denken, das entspräche ja aber nicht Hess’ Forderung nach Gleichberechtigung…

Aber die Reforminhalte zu Telepharmazie und Gedanken in Richtung KI sind Hess offenbar genauso wichtig wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Hier sieht der DocMorris-CEO direkt Optimierungsbedarf: Warum soll denn nur das Live-Gespräch mit pharmazeutischem Personal als Telepharmazie gelten? Immerhin könnten doch auch Avatare oder Info-Videos in der pharmazeutischen Beratung eine wichtige Rolle einnehmen. Dass das nur unnötig Zeit kostet und den Betroffenen nicht hilft, da sie krank sind oder mit der Technik ohnehin nicht umgehen können, interessiert da nicht.

Die paar Daten, die die menschlichen Expert:innen dadurch womöglich erhalten, sind den Aufwand und die Verwirrung der Kundschaft nicht wert. Und was nützt ein Infoclip? Abgesehen davon und viel wichtiger ist, wie weit geht diese Art der Beratung durch Avatare? Wann greift letztlich wirklich ein:e Pharmazeut:in ein? Der Vorschlag verwässert die Expertise und öffnet das Tor, letztlich ganz auf Fachpersonal zu verzichten. Und ob das Feld der Telepharmazie wirklich Personal in den Apotheken vor Ort einspart oder eher ein ganz neues (Plattform-)Feld eröffnet, steht in den Sternen. Der Gedanke ist zu kurz gedacht.

Mehr Effizienz, wie nun auch von Hess gefordert, wäre dabei ganz im Sinne der Pharmazeut:innen – von denen übrigens auch wieder im Tagesspiegel-Beitrag der Eindruck erweckt wird, ihnen wäre jahrelang mehr Geld ins System geblasen worden, statt mal wirklich etwas zu verändern. „Die fetten Jahre“ sind seit Ulla Schmidt vorbei, Herr Hess, das ist schon lange her. Die aktuelle Situation wird zur Nebensache, stattdessen gewinnen die Klischees. Aber effizient, ja, das wären die Apotheken auch gerne. Effizient wie die großen Versender, die sich schon allein aufgrund ihres eigenen Mikrokosmoses totoptimieren können. Stattdessen ersticken die Vor-Ort-Versorger in Bürokratie und unnötigen Regeln. Und nein: Ein Pharmazeut, der in seiner Apotheke zu sein hat, ist keine unnötige Regel.

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