Versandapotheken

DocMorris strebt zur Plattform-Ökonomie à la Amazon

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Berlin -

Normalerweise wirbt DocMorris mit Boni und Sonderangeboten um seine Kunden. Jetzt hat die niederländische Versandapotheke eine Imagekampagne der besonderen Art angestoßen. Mit einer Bloggerin, Plakaten und einem neuen Facebookauftritt versucht sich DocMorris mit dem Slogan „Und wie geht‘s uns morgen?“ als Innovationsmotor zu positionieren. Ziel ist die Etablierung der Plattform-Ökonomie nach dem Vorbild von Amazon im Gesundheitsmarkt.

Seit 6. November läuft die Kampagne für drei Wochen. Nach Angaben eines DocMorris-Sprechers soll sie „gesellschaftliche und politische Denkanstöße“ geben. Zielgruppe sind nicht die Kunden, sondern „Gesellschaft und Politik“. Es geht um Digitalisierung, Selbstbestimmung und Individualität. Als Beispiele dienen die DocMorris-App fürs Medikationsmanagement, der Live-Video-Chat zwischen Kunden und DocMorris-Personal zur Arzneimittelberatung, und auch der inzwischen stillgelegte Arzneimittelautomat spielt eine Rolle. Jeder solle selbst entscheiden, „was ihm gut tut“. Ob er seine Medikamente in der Apotheker hole oder im Versand bestelle.

DocMorris will laut Imagekampagne den „Fortschritt umarmen“, „Gesundheit digital denken“ oder „alles immer wieder infrage stellen, um es besser zu machen“. Ausgearbeitet hat die Kampagne die Agentur „heimat“. Bis zum ihrem Ende will DocMorris nicht nur Fragen stellen, sondern auch Antworten liefern. Über die Kosten der Kampagne will DocMorris nicht sprechen.

Hinter den schönen Worten steckt knallharte Unternehmenspolitik: Was sich DocMorris wirklich von der Aktion verspricht, verriet kürzlich DocMorris-Chef Olaf Heinrich in einem Statement fürs Handelsblatt: Die sogenannte Plattform-Ökonomie nach dem Vorbild des Konzernriesen Amazon will DocMorris in den Gesundheitsmarkt kopieren.

„Nur wenn wir die Idee der Plattform-Ökonomie auch in der Gesundheitswirtschaft vorantreiben, werden wir das deutsche Gesundheitswesen sichern. Deshalb ist es höchste Zeit, sich die Frage zu stellen: Und wie geht es uns morgen? Wir als Unternehmen sehen es als unsere Aufgabe an, diese Frage schnellstmöglich mit digitalem Fortschritt zum Wohle des Patienten zu beantworten“, begründet der DocMorris-Vorstand in einem Beitrag für das Handelsblatt die aktuelle Kampagne.

Spätestens seit dem Bundeswahlkampf sei die Digitalisierung eines der Top-Themen in Politik und Gesellschaft. Die digitale Wirtschaft und der Handel machten keinen Halt an Bundes- und Ländergrenzen. Der Begriff „Digitalisierung“ sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie werde zu einer zunehmenden Normalität. „Deshalb ist es unsere Aufgabe als die Apotheke DocMorris den Menschen zu zeigen, wie die Digitalisierung im Gesundheitssystem das Leben bereichert und – wenn gewünscht – auch einfacher macht“, so Heinrich. Im Alltag habe die Digitalisierung längst ihren Platz gefunden, von Online-Recherchen bis zu Online-Einkäufen, vom Smartphone bis zum Smart Home. Die Verbraucher entschieden für sich, welche Angebote sie wo und wie nutzen wollen. Das gelte zunehmend auch für den Gesundheitsmarkt.

„Es ist daher unsere Aufgabe, glaubhaft und praktisch zu beweisen, dass der technische Fortschritt uns nicht daran hindert zu entscheiden, wie wir zusammenarbeiten und leben wollen“, schreibt Heinrich. Kein Unternehmen und auch keine Regierung könnten den digitalen Wandel aufhalten. Heinrich: „Dafür brauchen wir neues Denken – insbesondere im Gesundheitswesen, wo Deutschland weit hinter Ländern wie Norwegen, Dänemark, Estland liegt.“ Mit Hilfe von Apps und digitaler Vernetzung rücke der Patient seine Gesundheit in den Mittelpunkt, und erwarte, dass alle Player im Gesundheitsmarkt – Krankenkassen, Ärzte und Apotheker, im Übrigen auch die Industrie – seiner Lebenssituation gerecht würden.

Mithilfe digitaler Angebote könne es gelingen, Distanzen abzubauen und „den Arzt und den Apotheker nach Hause zu holen oder – dank Apps – von unterwegs zu konsultieren.“ Als Beispiel verweist DocMorris-Chef Heinrich auf die Telemedizin und feiert die Änderung der ärztliche Berufsordnung in Baden-Württemberg als „Paradigmenwechsel“. Im „Ländle“ sind jetzt Modellversuche zur Fernbehandlung zugelassen.

Digitale Plattformen ermöglichten es, von den Patienten selbst erhobene Gesundheitsdaten – vom Puls über den Diabeteswert bis zur Herzerkrankung – mit Daten aus dem professionellen medizinischen Bereich zu verknüpfen. Schon heute stellten Patienten berechtigte Fragen: „Warum gibt es keinen digitalisierten Medikationsplan, der mittels QR-Code von allen Ärzten, aber auch allen Apothekern ausgelesen werden kann – weltweit?“ oder „Warum haben wir keine elektronische Patientenakte mit allen aktuellen Laborwerten und Röntgenbildern?“ Und „Warum gibt kein e-Rezept?“ Der souveräne Patient, der selbst die Datenhoheit behalte, fordere mehr Transparenz.

„Deshalb braucht neues Denken Freiräume“, so Heinrich. Die Gesundheitswirtschaft sei einer der größten deutschen Wirtschaftssektoren und mache rund 12 Prozent des Bruttoinlandproduktes und rund 10,2 Prozent des deutschen Außenhandelsüberschusses aus. Noch aber gebe es zu hohe Eintrittsbarrieren in den Markt. Das Tempo der Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft werde gebremst. Deutschland verliere den Anschluss an andere europäische Länder und laufe Gefahr, das intuitive Patientenverhalten zu ignorieren.

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