DocMorris: Schon wieder hoch verschuldet Patrick Hollstein, 25.04.2024 08:50 Uhr
Durch den Verkauf seiner Aktivitäten in der Schweiz konnte DocMorris einen Teil des gewaltigen Schuldenbergs abtragen und sich aus der Finanzklemme befreien. Aber das war nur eine Momentaufnahme. Denn angesichts des neuerlichen dreistelligen Millionenverlusts im vergangenen Jahr ist die Nettoverschuldung schon wieder explodiert. Alles hängt jetzt am E-Rezept.
Seit Jahren war darüber spekuliert worden, dass Zur Rose sich irgendwann selbst zerschlagen würde. Immer wieder hatte der DocMorris-Mutterkonzern andere Versender zugekauft, teilweise zu völlig überzogenen Preisen und nur um an den Kundenstamm zu kommen. Das kostete Geld: Nicht nur waren die Einlagen der Aktionäre durch mehrere Kapitalerhöhungen immer weiter verwässert worden, auch die Schuldenlast war immer weiter gestiegen. Eine halbe Milliarde Franken hatte sich das Management um den früheren CEO und heutigen Verwaltungsratspräsidenten Walter Oberhänsli am Ende über parallel laufende Anleihen am Kapitalmarkt besorgt.
Im vergangenen Jahr zog das Management den letzten Joker und verkaufte das Geschäft in der Schweiz für 360 Millionen Franken an die Supermarktkette Migros. Damit wurde nicht nur das eigentliche Kerngeschäft des Praxisgroßhandels aufgegeben, mit dem die Gründerinnen und Gründer vor mehr als 30 Jahren gestartet waren, sondern auch der einzige überhaupt Ertrag lieferende Geschäftsbereich. Seitdem gehören nur noch das Versandgeschäft in Deutschland sowie die Marktplätze in einigen europäischen Ländern zur Gruppe.
Immerhin: Der Verkauf spielte so viel Geld in die Kasse, dass die Nettoverschuldung laut Finanzvorstand Marcel Ziwica auf einen Schlag von 390 auf 30 Millionen Franken reduziert werden konnte. DocMorris sei damit faktisch schuldenfrei und habe nun genügend Zeit, eine neue Finanzierungsstrategie auszuarbeiten.
Nettoverschuldung wächst
Allerdings war dies nur eine Momentaufnahme. Zwar konnte DocMorris tatsächlich Anleihen im Wert von knapp 190 Millionen Franken zurückkaufen, trotzdem stieg die Nettoverschuldung zum 31. Dezember schon wieder auf 180 Millionen Franken. Kein Wunder, hatte der Versender doch – bei einem Umsatz von runder einer Milliarde Franken – abermals 118 Millionen Franken Verlust gemacht.
Mittlerweile dürfte die Nettoverschuldung weiter gestiegen sein, denn gerade erst hat das Management die guten Nachrichten zur CardLink-Zulassung genutzt und sich abermals 200 Millionen Franken an frischem Kapital besorgt. Das Geld aus der bis 2029 laufenden Anleihe soll zwar auch genutzt werden, um eine im kommenden Jahr auslaufende Schuldverschreibung zu refinanzieren, diese stand aber zuletzt nur noch mit 122 Millionen Franken in den Büchern, sodass der Rest schon wieder zusätzliches Fremdkapital ist.
In den kommenden Wochen soll noch die Immobilie von Zur Rose in Frauenfeld verkauft werden, die mit rund 11 Millionen Franken bilanziert wird. Danach gibt es überhaupt keine Reserven mehr, auf die das Management noch zurückgreifen könnte.
Letzte Hoffnung: E-Rezept
Mit dem Sanierungsprogramm „Break even 2023“ sollten eigentlich 130 Millionen Franken pro Jahr eingespart werden; allerdings ist fraglich, ob DocMorris ohne nennenswerte Umsätze aus E-Rezepten den Kapitalabfluss stoppen kann. Im ersten Quartal war das Rx-Geschäft sogar rückläufig; dass CardLink der erhoffte Selbstläufer wird, darf bezweifelt werden.
So könnte sich DocMorris wohl demnächst schon wieder neues Geld besorgen müssen. Eine weitere Wandelanleihe im Gesamtvolumen von 90 Millionen Franken läuft 2026 aus; hier muss DocMorris einen Zinssatz von knapp 7 Prozent zahlen.
Laut Ziwica wird die Refinanzierung durch die bessere Eigenkapitalquote erheblich leichter – doch mit jedem Euro, der verbrannt wird, steigt die Nettoverschuldung schon wieder. Und der Aktienkurs ist derzeit so weit im Keller, dass für die Ablösung der Wandelanleihen mehr Aktien benötigt werden als ursprünglich eingeplant. Die Erlaubnis dafür will sich das Management bei der Generalversammlung am kommenden Freitag holen. Die Stimmung bei den Anlegern dürfte alles andere als euphorisch sein.