Jetzt folgt der zweite Streich: Nach der Kooperation mit dem Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (SpiFa) hat die niederländische Versandapotheke DocMorris eine weitere Zusammenarbeit mit den Hausärzten geschlossen. Dabei geht es ebenfalls um die Einführung des E-Rezepts in Verbindung mit AMTS. Offenbar setzt DocMorris darauf, über diesen Weg Vor-Ort-Apotheken als Kooperationspartner zu gewinnen. Im November soll bereits ein Pilotprojekt in Westfalen-Lippe starten. Damit gehen DocMorris und die Hausärzte bei der Einführung des E-Rezepts in die Offensive.
„Die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft und DocMorris kooperieren zum E-Rezept. Der Deutsche Hausärzteverband und der Hausärzteverband Westfalen-Lippe unterstützen dieses Pilotprojekt zur digitalen Rezeptübermittlung. Ein Prüfmodul zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) wird in einer zweiten Phase eingebunden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Durch die Verknüpfung der AMTS-Datenbank mit dem E-Rezept werde die Versorgung der Patienten verbessert, indem die Zahl unerwünschter Arzneimittelereignisse vermindert und die Effizienz in der Arzneimitteltherapie gesteigert werde. Das Projekt sei über einen Zeitraum von sechs Monaten geplant.
In Kooperation mit stationären Apotheken sollen in dieser Zeit die technischen Rahmenbedingungen evaluiert werden, die einen „bedürfnisorientierten Verschreibungs- und Dispensierprozess ermöglichen“. Ziel sei es, den Ärzten die digitale Verordnung von Arzneimitteln zu erleichtern, für Patienten die Handhabung zu vereinfachen und bei Apotheken eine breite Akzeptanz zu erreichen. „Nachdem der Gesetzgeber die telemedizinische Fernbehandlung zugelassen hat, stellt die Einführung des E-Rezepts eine konsequente Weiterentwicklung moderner, digitaler Versorgung dar. Mit Hilfe des gemeinsamen Pilotprojektes werden wir Technologie und Prozesse so gestalten können, dass diese der Versorgungsrealität in den hausärtzlichen Praxen auch wirklich gerecht werden“, sagt Dr. Axel Wehmeier, Vorstandsvorsitzender der HÄVG. In der Region Westfalen-Lippe wird ab November eine begrenzte Zahl von Hausärzten die Möglichkeit haben, Arzneimittel unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur und der praxiserprobten IT-Infrastruktur der Firma eHealth-Tec digital zu verordnen. Die Tochter von Zur Rose ist auch beim Modellprojekt der TK in Hamburg an Bord.
„Für Hausärztinnen und Hausärzte ist wichtig, dass durch das E-Rezept kein zusätzlicher Aufwand entsteht, sondern der Versorgungsalltag erleichtert und die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apotheken verbessert wird. Das nützt nicht nur uns, sondern vor allen Dingen unseren Patientinnen und Patienten“, ergänzt Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe. Gesetzlich versicherte Patienten, die am Piloten teilnehmen möchten, erhalten anstelle eines Papierrezepts einen QR-Rezeptcode, den sie per App, E-Mail oder als Ausdruck wahlweise bei einer der teilnehmenden Vor-Ort-Apotheken oder bei DocMorris einlösen können.
„Unsere E-Rezept-Technologie in Kombination mit der DocMorris eRx-App vernetzt im Rahmen dieses sektorenübergreifenden Pilotprojekts Hausarzt, Patient und Apotheke. Sie ermöglicht erstmals den vollständigen digitalen Versorgungsprozess des Patienten im Rahmen seiner individuellen Arzneimitteltherapie: von der Verordnung bis zur Abrechnung“, sagt DocMorris-Chef Olaf Heinrich.
Seit Sommer dieses Jahres kooperiert DocMorris bereits mit dem SpiFa. Auch dabei geht es um die Einführung des E-Rezepts. Damit hat DocMorris jetzt mit der Mehrheit der niedergelassenen Ärzte in der ambulanten Versorgung vertraglich abgesicherte Kooperationen geschlossen. Nutzen die Ärzte tatsächlich eRx-App von DocMorris, könne die Rezepte per Klick direkt an DocMorris weitergeleitet werden – oder in der Apotheke vor Ort eingelöst werden. DocMorris setzt offenbar darauf, dass die Apotheken sich den damit verbundenen Umsatz und das Rx-Honorar nicht entgehen lassen werden. Auf diese Weise könnte sich die Versandapotheke ein flächendeckendes Netz von Vor-Ort-Apotheken mit Hilfe der Ärzte sichern und den Nachteil der Zeitverzögerung durch einen Versand kompensieren. In einem zweiten Schritt könnte DocMorris versuchen, auch das OTC-Geschäft über den verlängerten Arm der Vor-Ort-Apotheken als Provisionsgeschäft abzuwickeln.
Die HÄVG in Köln ist eine Dienstleistungsgesellschaft des DHÄV und seiner Landesverbände. Zentrale Aufgaben sind die Verhandlung von Hausarztverträgen mit Kostenträgern und Leistungserbringern im Gesundheitswesen, die Vertragsabwicklung sowie der Vertrieb. Der Hausärzteverband Westfalen-Lippe ist mit 4500 Mitgliedern der drittgrößte der 17 Landesverbände. Mit knapp 30.000 Mitgliedern bundesweit ist der DHÄV der größte Berufsverband niedergelassener Ärzte in Deutschland.
Bereits 2016 hatte DocMorris mit den Hausärzten in NRW eine Kooperation aufgelegt: Mit einem Flyer zur Grippeimpfung hatte es die Versandapotheke in die Hausarztpraxen in Nordrhein geschafft. Zwar war das Logo der Versandapotheke nur klein auf der Rückseite abgedruckt. Doch dafür wurde auf der zugehörigen Website im Großformat auf die Rx-Boni hingewiesen.
Hinter dem SpiFa als Dachverband stehen 31 Mitgliedsverbände und über 160.000 der in Deutschland tätigen Fachärzte in Klinik und Praxis. Laut Geschäftsführer Lars Lindemann wollen SpiFa und DocMorris auf zwei Gebieten kooperieren: Das E-Rezept von DocMorris soll – um ein Medikationsmanagement und AMTS-Tools erweitert – in neue Versorgungsverträge des SpiFa mit Krankenkassen eingebaut werden.
Zugleich wollen SpiFa und DocMorris gemeinsam Versorgungsmodelle entwickeln. Losgehen soll es Anfang 2020, „wenn alles glatt geht“, so Lindemann in einem Gespräch mit APOTHEKE ADHOC im Sommer. „Nicht nur die technische E-Rezept-Lösung von DocMorris ist für uns interessant, wir wollen auch gemeinsam überlegen, welche innovativen Angebote wir gemeinsam umsetzen können.“
Der SpiFa hat über die zu ihm gehörende Tochterfirma Ärztliche Vertragsgemeinschaft Deutschland (ÄVGD) laut Lindemann bereits mehrere Selektivverträge mit Krankenkassen abgeschlossen, unter anderem mit den HNO-Ärzten zu den Indikationen Tinnitus und Schwindel. Außerdem gibt es etwa einen Selektivvertrag zu Telefonkonsilen und einen weiteren zum Thema Zweitmeinungsverfahren. „In solche Verträge wollen wir künftig eine E-Rezept-Lösung für die Patienten integrieren“, sagte Lindemann. Dabei handele es sich aber „keineswegs um ein geschlossenes System“, diese Verträge sollen „für alle Apotheken kanalunabhängig offen“ sein.
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