DocMorris-Boni

Keine falsche Quittung für Kassen und Fiskus

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Berlin -

Die niederländische Versandapotheke DocMorris hat Kunden trotz gerichtlicher Verbote versteckte Rx-Boni gewährt: Einer Kundin aus Baden-Württemberg wurde die Hälfte der gesetzlichen Zuzahlung erlassen. Dennoch wurde die Quittung für die Krankenkasse über den vollen Betrag ausgestellt. Das Landgericht Ravensburg (LG) hat DocMorris verboten, missverständliche Quittungen auszustellen. Der klagende Apotheker kann von der Versandapotheke nun zudem Schadenersatz und Auskunft zu allen vergleichbaren Fällen verlangen.

Im konkreten Fall hatte eine Kundin bei DocMorris das Präparat Flutiform Dosieraerol (Formoterol und Fluticason) bestellt. Ihr zu leistender Zuzahlungsbetrag lag bei 5,71 Euro. Dieser Betrag stand auch auf der Zuzahlungsquittung, die zur Vorlage an die Krankenkasse mitgesandt wurde. Vom Kundenkonto der Frau wurden tatsächlich jedoch nur 2,85 Euro abgebucht – also die Hälfte des Betrags.

Die Kundin hat die ihr quittierte Summe somit gar nicht gezahlt. Daraus können sich für sie laut LG jedoch weitere finanzielle Vorteile ergeben: Denn so könnte sie schneller die Belastungsgrenze von 2 Prozent ihres Bruttoeinkommens erreichen – und wäre früher von Medikamentenzuzahlungen befreit. Außerdem könnte sie so mit nicht tatsächlich gezahlten Betrag ihre Einkommenssteuer verringern, stellte das Gericht fest.

Mit diesem Vorgehen verstoße DocMorris gegen die Sorgfaltsanforderungen eines ordentlichen Kaufmanns und beeinflusse die Entscheidungsfähigkeit des Verbrauchers, befanden die Richter. Der „Grundsatz der unternehmerischen Sorgfalt“, sich an die Marktgepflogenheiten zu halten, wurde demnach gebrochen. Denn es wurde eine Summe quittiert, die der Kunde gar nicht gezahlt hatte. Der tatsächliche Zahlungsfluss wurde verschleiert; die Quittung wurde missverständlich formuliert.

Der Verbraucher wiederum könnte diesen Beleg missbräuchlich verwenden, ohne sich selbst falsch verhalten zu haben. Darüber hinaus könnte der Kunde erwarten, dass der gewährte Rabatt auch bei der nächsten Bestellung nicht auf der Quittung vermerkt wird – und sich damit beim nächsten Medikamentenkauf erneut für DocMorris entscheiden. Daher kann DocMorris mit den „missverständlichen Quittungen“ die Kaufentscheidung der Verbrauchers beeinflussen, so die Richter: eine „unlautere Wettbewerbshandlung“. Schon im Oktober 2015 hatte das LG Ravensburg gegen derartige Quittungen eine einstweilige Verfügung erlassen.

DocMorris bestreitet, dass mit der Gutschrift 50 Prozent des Zuzahlungsbetrags erlassen wurden. Tatsächlich handele es sich bei den gewährten Abschlag um einen „Willkommensrabatt“. Das Gericht hält dies für unglaubwürdig, weil der Rabatt der Hälfte der Zuzahlung entspricht. Weil auch der Zeitpunkt des Erlasses übereinstimmte, lag der Zusammenhang für die Richter auf der Hand.

Darüber hinaus fordert die Versandapotheke, das Verfahren auszusetzen, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden hat, ob die deutsche Arzneimittelpreisbindung für ausländische Versandapotheke wirklich bindend ist. Würde der EuGH Rx-Boni zulassen, wäre der Abschlag auf den Zuzahlungsbetrag nicht rechtswidrig, so die Argumentation von DocMorris.

Die Richter in Ravensburg sehen das anders: Selbst wenn Rx-Boni erlaubt würden, wären missverständlich ausgestellte Quittungen unlauter. Denn daraus könnten sich für den Kunden Vorteile ergeben, wenn er den Beleg bei der Krankenkasse oder Steuerbehörde einreicht. Das gehe über reine Gewährung eines Rx-Rabatts hinaus. Das LG Ravensburg verpflichtet DocMorris deshalb zu eindeutig formulierten Rechnungsbelegen.

Um festzustellen, welcher Schadensersatz eingefordert werden kann, gewährten die Richter dem Kläger außerdem Auskunftsrecht: DocMorris muss sämtliche Fälle falsch ausgestellter Zuzahlungsquittungen offenlegen. Dabei soll die Versandapotheke diese Quittungen nach Kalendermonat und Bundesland sowie mit den Medikamenten erzielten Umsätzen aufschlüsseln. Darüber hinaus soll aufgeführt werden, wie für den Rabatt geworben wurde.

Sollte DocMorris nochmals eine missverständliche Quittung ausstellen, wird ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro fällig. In der Vergangenheit hat die Versandapotheke aber wiederholt rechtskräftig verhängte Ordnungsgelder nicht gezahlt. Die Apothekerkammer Nordrhein hat nun einen Gerichtsvollzieher in den Niederlanden beauftragt, das Geld einzutreiben.

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