Angebliche Plattformteilnehmer erfunden

DocMorris klaut sich Apotheken

, Uhr
Berlin -

DocMorris wirbt vor Investoren mit Vor-Ort-Apotheken, die bereits Teil der Plattform sind. Das Problem dabei: Die Apotheken wissen davon gar nichts und sind gar nicht auf der Plattform – oder aber wurden mit geklauten Bildern frei erfunden. Ein Berliner Inhaber wurde nur darauf aufmerksam, dass er Teil der Investorenwerbung ist, weil ein Geschäftspartner ihn auf seine vermeintliche Zusammenarbeit mit dem Hollandversender angesprochen hat.

Der DocMorris-Marktplatz ist auf Expansionskurs, er wird sein Produktangebot ausbauen und Same Day Delivery anbieten. Damit warb Zur Rose auf seinem Investorentag am vorvergangen Mittwoch gegenüber potentiellen Kapitalgebern. Die „Partner“ auf der Plattform würden davon profitieren, neue Kunden zu bedienen, heißt es in der zugehörigen Präsentation, die APOTHEKE ADHOC vorliegt und die unter anderem Zur-Rose-CEO Walter Oberhänsli und DocMorris-Deutschlandchef Walter Hess bei der Vorstellung benutzten. Daneben hält eine Hand die Marketplace-App in die Kamera und zeigt die Funktion „Apotheke wählen“ mit einer Auswahl von „Partnern“ samt Foto.

Allerdings: Besagte Partner gibt es gar nicht. Zwei der vier Apotheken sind echt, aber nicht auf der Plattform, die beiden anderen Apotheken gibt es gar nicht – dafür hat sich DocMorris bei den Fotos tatsächlich existierender Apotheken bedient und ihnen falsche Namen gegeben. Einer der tatsächlich existierenden Betriebe ist die Apotheke Hackesches Quartier in Berlin-Mitte von Inhaber Sebastian Huber. Er erfuhr auf Umwegen von seiner vermeintlichen Listung: „Donnerstag hat mich ein Geschäftspartner mit der Frage konfrontiert, ob ich mit DocMorris zusammenarbeite“, erzählt er. „Da wusste ich erst einmal gar nicht, was er meint. Ich habe gesagt, dass ich das nicht tue, nicht vorhabe, das zu tun, und sowieso keinen Mehrwert darin sehe. Da hat er das Handy gezückt und mir einen Screenshot von der Präsentation gezeigt.“

Völlig ahnungslos war auch Sigrun Klemp, die Inhaberin der Goethe-Apotheke in Berlin. Ihr Betrieb wird ebenfalls mit korrektem Namen und Bild aufgeführt, obwohl er nicht auf der Plattform ist – wovon sie erst durch die Anfrage von APOTHEKE ADHOC erfuhr. „Das ist auf jeden Fall sehr merkwürdig“, sagt sie. „Ich denke, ich werde mich damit mal an den Rechtsbeistand des Berliner Apothekervereins wenden und in Erfahrung bringen, ob ich irgendwie rechtlich dagegen vorgehen kann. Das sieht ja aus wie ein rechtsfreier Raum.“

So wie Klemp erging es auch Sylvia Maaß, Inhaberin der Europa-Apotheke in Hannover. Ihr Betrieb erscheint nicht namentlich, doch DocMorris verwendete ein Foto ihrer Apotheke, auf der der geknickte rote Namenszug samt des darauf installierten Globus mit Apotheken-A zu sehen ist – ein markantes Äußeres, das schon bei genauem Hinsehen den echten Namen der Apotheke preisgibt. Europa-Apotheke steht daneben nicht, sondern „Apotheke Archer“ – ein Betrieb, den es gar nicht gibt.

Maaß erfuhr ebenfalls erst durch die Anfrage von der Verwendung ihres Bildes. „Das ist eine Unverschämtheit!“, zeigt sie sich empört. „Ich bin aber nicht überrascht, dass das so etwas vorgeht.“ Denn es sei nicht das erste Mal, dass ein Bild von ihrer Apotheke missbräuchlich verwendet wurde, sie habe schon einmal anwaltlich gegen etwas ähnliches vorgehen müssen.

Im konkreten Fall werde es aber nicht so weit kommen. „Das ist absolut unseriös, aber ich denke, daraus kann man juristisch keinen Urheberrechtsstreit machen“, sagt sie. „Ich habe meine Bilder nicht schützen lassen und das sieht mir auch eher aus wie eine wahllose Bebilderung, bei der offensichtlich ist, dass Name und Bild nicht zusammenpassen.“

So ist es auch bei der vierten Apotheke in der Präsentation: Als „Apotheke Muncher“ ist die aufgeführt, erneut ein Name, den es gar nicht gibt. Daneben ist das Bild eines Apothekeneingangs, der augenscheinlich in einem Bahnhof, Flughafen oder Shoppingcenter liegt. Dadurch sei, wie in ihrem Fall auch, die tatsächliche Apotheke nicht zu identifizieren, sagt Maaß. „In meinem Fall ist es nicht so gravierend wie bei der Apotheke Hackesches Quartier und Goethe Apotheke, von daher müssten primär diesen beiden Apotheken dagegen vorgehen. Wenn ich die wäre, würde ich mich richtig aufregen.“ Viel entscheidender als Rechtsstreitigkeiten zu beginnen, sei es „zu reflektieren, was DocMorris vorhat und wie wir uns da positionieren“, so Maaß. „Es ist doch interessant, wo die ihre Schwerpunkte setzen, wie die uns ans Leder wollen.“

Huber nimmt es allerdings ebenfalls gelassen: „Meine Schlussfolgerung daraus ist: Wenn man es nötig hat, Apotheken auszuwählen, die da gar keine Partner sind, dann kann es ja mit der Plattform nicht so dolle laufen.“ Er habe kurz erwogen, rechtliche Schritte einzuleiten, „aber was habe ich denn davon außer Mühe und Ärger?“ Er habe versucht, zumindest DocMorris telefonisch zu erreichen und auf das fragwürdige Vorgehen anzusprechen – aber unter keiner der angegebenen Nummern sei jemand erreichbar gewesen. Nun werde er es wohl auf einem anderen Weg nochmal versuchen: „Ich habe interessanterweise eine Stammkundin, die bei DocMorris arbeitet. Vielleicht spreche ich die mal an, wenn sie zu mir kommt, um ihr Rezept einzulösen.“

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick
Apothekenpläne: Muttis meutern bei dm
Podcast NUR MAL SO ZUM WISSEN
Übergangspapst gesucht!
Mehr aus Ressort
Kampagnenmotiv für Apotheken
Noventi verschickt Weihnachtsplakate
Einstieg in Apothekenmarkt
dm lädt zu Gesprächen

APOTHEKE ADHOC Debatte