Provokation gehört für DocMorris zum Tagesgeschäft wie das Verschicken von Pillen. Mit der aktuellen Plakataktion schießt die Tochter der schweizerischen Zur Rose-Gruppe gezielt gegen die Konkurrenz vor Ort. Und zieht andere mit rein: Die niederländische Versandapotheke wirbt mit prominenten Erkältungsmitteln von Hexal und Wick (Procter & Gamble) – ohne deren Wissen und Wollen.
Auf den Plakaten ist eine schlafende Frau im Ringelshirt zu sehen. Sie liegt im Bett, die Haare bedecken fast das komplette Gesicht. Der Slogan: „Wer ins Bett gehört, sollte nicht zur Apotheke müssen.“ Am Kopfende des Bettes sind der Hustenlöser ACC akut von Hexal sowie die Erkältungssalbe Wick Vaporub abgebildet.
Zudem wirbt die Versandapotheke mit „bis zu 50% auf DocMorris.de sparen“. Die Plakate sind als hinterleuchtete City-Light-Poster an Plätzen sowie an Bushaltestellen verteilt. Gebucht wurde wie bei vorherigen Aktionen beim Mediakonzern Ströer, der die Versandapotheke Vitalsana Ende 2017 an die Zur Rose-Gruppe verkauft hat.
Branchenkennern zufolge soll es sich um einen Test in Hessen handeln. Darmstadt ist einer Apothekerin zufolge „völlig zu plakatiert“. Die Kampagne sei unverschämt, kritisiert sie. „Wer krank ist, benötigt seine Medikamente sofort und nicht in 48 Stunden.“ Laut DocMorris soll es sich bei der Aktion jedoch nicht um eine neue Werbekampagne handeln. Mehr will man in Heerlen dazu nicht verraten.
Die Plakate wurden auch von Apothekern in Sachsen entdeckt. Sie verlangten eine Erklärung von den Herstellern. Wick-Produzent P&G distanziert sich von der Aussage: „Wir stimmen mit dieser Grundaussage natürlich nicht überein“, sagt Wick-Geschäftsführer Dr. Markus Hammer. In Schwalbach habe man von der Verwendung der Verpackung der Erkältungssalbe auf den Postern nichts gewusst. Ende vergangener Woche wurde er von einer Produktmanagerin auf die Aktion hingewiesen. Kurz darauf meldeten sich Apotheken.
Der OTC-Hersteller erklärt sich die Wahl damit, dass Wick „als starke Ankermarke im Bereich Erkältung“ oft im Marketing der Apothekenpartner eingesetzt werde, ohne dass dies abgestimmt sei. „Die aktuelle DocMorris Kampagne zum Thema ‚Erkältung‘ fällt in diesen Bereich und hat uns überrascht“, so Hammer. „Wir hätten hier sicher Änderungsvorschläge gemacht.“ Juristisch will der Hersteller jedoch nicht gegen die Versandapotheke vorgehen.
Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann von der Kanzlei Terhaag & Partner gibt eine juristische Bewertung ab: „Im Regelfall dürfen die Marken nur dann verwendet werden, wenn der Markeninhaber einverstanden ist oder das Produkt zum Verkauf angeboten oder beworben wird. Das nennt man dann markenrechtliche Erschöpfung. Bei dem DocMorris-Poster ist es eher eine Image-Kampagne für DocMorris selbst. Aber die Produkte passen zum Thema des Posters 'Schlafen' und es wird auch ein gewisser Werbeeffekt für die Produkte selbst erzielt. Markenrechtlich ist das also in Ordnung, es sei denn der Markeninhaber möchte absolut nicht mit DocMorris in Verbindung gebracht werden.“
Arzneimittelrechtlich hat die Versandapotheke einen im Marketing üblichen Trick angewandt: Die indikationsbezogenen Angaben, die im Original auf der Packung zu sehen sind, wurden entfernt. Damit spart sich DocMorris, die Pflichttexte ebenfalls mit aufs Plakat nehmen zu müssen.
Auch Hexal hat laut einem Sprecher nichts von der Aktion gewusst. In Holzkirchen gingen ebenfalls empörte Anfragen von Apotheken ein. „Ihren Unmut können wir gut verstehen“, schrieb der Generikakonzern an einen Pharmazeuten. „Gleichzeitig möchten wir aber klarstellen, dass die Verwendung des Bildmotivs nicht von Hexal autorisiert war, und wir diese Kampagne auch nicht unterstützen.“
Fakt sei, dass der Versandhandel starke OTC-Marken nutze, die einen hohen Bekanntheitsgrad haben, um Patienten anzusprechen. „Das geschieht ohne unser Wissen und ohne unser Zutun.“ Der bevorzugte Partner von Hexal sei die stationäre Apotheke. „Hexal hat sich als einziges Pharmaunternehmen gegen den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Präparaten ausgesprochen.“
DocMorris präsentiert sich derzeit in der Außenwerbung mit verschiedenen Botschaften. In Sachsen hängen auch Großplakate in schwarz-weiß. Zu sehen ist ein fast leeres Feld, am historisch anmutenden Holz- und Drahtzaun steht ein Bauer mit Smartphone. Der Slogan lautet: „Nähe ist keine Frage der Entfernung.“ Auf pinkem Hintergrund darunter: „Jetzt testen und Rezept einsenden.“
Die Versandapotheke wirbt immer wieder mit Plakaten für das eigene Angebot. „Fortschritt stellt sich nicht in Warteschlangen“, verlautete die Versandapotheke bereits. Auch mit „Und wie geht's uns morgen?“ versuchte die Zur-Rose-Tochter sich als Innovationsmaschine präsentieren.
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