DocMorris: Hilft nicht in jeder Lebenslage APOTHEKE ADHOC, 14.08.2020 10:46 Uhr
„Versorgt Dich sicher in jeder Lebenslage.“ Mit dieser Aussage warb DocMorris auf der Website des Fußballmagazins Kicker. Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) ging gegen die aus ihrer Sicht irreführende Behauptung vor und war in erster Instanz erfolgreich. Das Landgericht Stuttgart (LG) verbot auch den Claim „Schnell und bequem gesundwerden und das von zu Hause aus.“
Laut AKNR versorgt DocMorris die Verbraucher gerade nicht in jeder Lebenslage: Weder werde Notdienst geleistet, noch würden Rezepturen hergestellt. Eilige Medikamente könnten im Versandhandel nicht rechtzeitig geliefert werden, außerdem seien bestimmte Produktgruppen gesetzlich ausgeschlossen.
DocMorris zog sich auf die Position zurück, dass es sich um eine reine Werbefloskel handele und dass dem Verbraucher die Einschränkungen, die der Versandhandel mit sich bringe, bekannt seien.
Doch das LG folgte dieser Argumentation nicht: Allenfalls die Aussage: „Versorgt dich sicher“ sei vielleicht noch als Plattitüde einzuschätzen. Der Zusatz „in jeder Lebenslage“ habe jedoch eine zeitliche als auch eine qualitative Bedeutung: „Es wird damit ausgedrückt, dass man jederzeit und darüber hinaus auch für jegliches gesundheitliches Problem, das ein in der Apotheke erhältliches Produkt erforderlich macht, eine Versorgung bei der Beklagten erhält. Dies geht über eine allgemeine werbende Anpreisung hinaus.“
Der Aspekt der zeitlichen Verfügbarkeit sei aber für einen großen Teil von Apothekenkunden ein wichtiger Aspekt bei der Entscheidung, wo sie Arzneimittel erwerben. Insofern sei die Behauptung nicht nur irreführend, sondern auch wettbewerbsrelevant. Denn der Verbraucher werde angelockt, sich mit dem Angebot auseinanderzusetzen.
Was die zweite Aussage angeht, teilte das Gericht die Einschätzung der AKNR, dass Kunden von DocMorris eben nicht komplett zu Hause bleiben könnten: Denn tatsächlich müsse das Rezept noch immer zum Briefkasten gebracht werden. Den Vorteil eines Online-Versandes werde der durchschnittliche Verbraucher aber gerade darin sehen, dass er eben nicht mehr aus dem Haus gehen müsse – und sei es auch nur, um zum Briefkasten zu gehen.
Der Kunde könne auch nicht „schnell“ gesund werden. „Gerade in heutigen Zeiten jederzeitiger Verfügbarkeit sehr vieler Warengruppen geht das Verkehrsverständnis nicht dahin, dass es noch „schnell“ ist, wenn bis zum Erhalt eines verschreibungspflichtigen Medikaments zwei Postlaufzeiten (Rezept zur Beklagten – Arzneimittel zum Verbraucher) abgewartet werden müssen. Ob eine Vor-Ort-Apotheke einen „schnelleren“ Service bieten kann, ist dabei unerheblich.“
Laut Gericht gibt es längst große Versandhändler, die in bestimmten Gebieten auch einen sogenannten Same-Day-Delivery anbieten. „Es ist also für einen Durchschnittsverbraucher nicht unvorstellbar, dass eine Versandapotheke nicht nur über den postalischen Versandweg agiert. Auch die Anlieferung durch Boten, die Durchschnittsverbrauchern bei Vor-Ort-Apotheken durchaus bekannt und vertraut sind, ist ohne Weiteres vorstellbar.“
Gerade die Rezeptpflicht und die damit verbundene Notwendigkeit, den Verkäufer auch aufzusuchen, sei für die Kaufentscheidung nach dem Verkehrsverständnis des Gerichts ein zentraler Umstand. „Zudem ist gerade im Arzneimittelbereich auch der sehr zeitnahe Erhalt eines Medikaments und damit die Möglichkeit des Behandlungsbeginns von zentraler Bedeutung. Beide Aspekte sind daher – auch in der Abwägung mit dem Interesse der Beklagten, ihr Geschäftsmodell zu bewerben – geeignet, die Verkaufsentscheidung einer erheblichen Verbrauchergruppe (selbst wenn diese nur unter den Verbrauchern zu finden wären, die gerade rezeptpflichtige und nicht nur Arzneimittel erwerben möchten) in relevanter Weise zu beeinflussen.“
„Es ist erfreulich, dass die Gerichte im Zusammenhang mit Werbung, die Gesundheitsdienstleister verbreiten, einen strengen Maßstab anlegen und daher derartige Aussagen, die sachlich einfach falsch sind, für unzulässig erklären“, freut sich Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen, der die AKNR vertreten hatte. „Versandapotheken haben ein nur eingeschränktes Leistungsangebot und auch in zeitlicher Hinsicht bleibt ihr Angebot hinter den Angeboten der Vor-Ort-Apotheken zurück. Es ist daher zu begrüßen, dass das Gericht dem Versuch von DocMorris Einhalt geboten hat, gerade die Punkte hervorzuheben, in denen das Angebot ganz offensichtlich schlechter ist.“
Das Urteil ist nicht rechtskräftig; DocMorris kann hiergegen in Berufung gehen.