Verfahren um Freiumschläge

DocMorris gibt auf

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Berlin -

DocMorris darf vorerst keine Freiumschläge mehr verteilen, ohne von Kunden eine Telefonnummer zu erfragen. Die niederländische Versandapotheke gab im Eilverfahren gegen eine Apothekerin aus Baden-Württemberg auf. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) musste DocMorris einsehen, dass wenig Aussicht auf Erfolg in der Sache besteht.

DocMorris schaltet nicht nur im großen Stil Werbekampagne im Fernsehen, sondern drückt auch regelmäßig Flyer mit Freiumschlägen in den Markt. Auch die klagende Apothekerin hatte die Werbung kurz vor Weihnachten im Briefkasten. Aus ihrer Sicht verstößt die Versandapotheke damit gegen die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Denn danach ist die Abfrage einer Telefonnummer beim Kunden eine zwingende Voraussetzung, um überhaupt Versandhandel betreiben zu dürfen. Da DocMorris nicht darauf hinweise, sei die Werbung unzulässig und wettbewerbswidrig.

Das Landgericht Stuttgart (LG) sah das im Februar ebenso und erließ eine einstweilige Verfügung gegen DocMorris. Der Versandapotheke wurde verboten, mit dem monierten Flyer „für die Einsendung von Rezepten zu werben, ohne zugleich dem Verbraucher mitzuteilen, dass für die Einlösung der Verschreibung die Angabe einer Telefonnummer für telefonische Rückfragen erforderlich ist“.

DocMorris war gegen die Entscheidung in Berufung gegangen. Vor dem OLG machte der Versender geltend, dass die Beratung auf diesem Weg ohnehin sehr selten vorkommen und ein etwaiger Verstoß schon deshalb eine Bagatelle sei. Außerdem liege eine Ungleichbehandlung gegenüber Präsenzapotheker vor, die auch nicht nach der Telefonnummer fragen müssten. Die verpflichtende Abfrage einer Telefonnummer erschwert aus Sicht von DocMorris den Absatz von Arzneimitteln.

Von dieser mit Blick auf die Beratung von Patienten interessanten Sichtweise ließen sich die Gerichte nicht überzeugen. Nachdem auch der Richter am OLG erkennen ließ, wie er entscheiden werde, zog DocMorris die Berufung zurück. Damit ist die Entscheidung des LG rechtskräftig. Der Versandapotheke bleibt jetzt noch, die Frage im Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Die ersten beiden Instanzen wären allerdings nach dem Ergebnis im Eilverfahren recht aussichtslos.

Aus Sicht der Richter am Landgericht verstößt DocMorris tatsächlich gegen die ApBetrO. Im entscheidenden § 17 heißt es wörtlich: „Bei dem […] Versand hat der Apothekenleiter sicherzustellen, dass die behandelte Person darauf hingewiesen wird, dass sie als Voraussetzung für die Arzneimittelbelieferung mit ihrer Bestellung eine Telefonnummer anzugeben hat, unter der sie durch pharmazeutisches Personal der Apotheke […] auch mittels Einrichtungen der Telekommunikation ohne zusätzliche Gebühren beraten wird.“

DocMorris frage jedoch an keiner Stelle die Telefonnummer des Kunden ab, monierten die Richter. Die Versandapotheke könne sich auch nicht mit ihrer kostenlosen Hotline herausreden. Denn damit könne zwar der Verbraucher die Apotheker erreichen, nicht aber umgekehrt.

Die Versandapotheke hatte zur Verteidigung auch noch vorgetragen, man könne über den verordnenden Arzt den Patienten ausfindig machen. Doch die Richter ließen auch das nicht durchgehen und argumentieren lebensnah: „Ärzte sind häufig telefonisch nicht gut erreichbar bedingt durch telefonische Terminvergaben über die Praxistelefonnummer, eingeschränkte Anwesenheiten, Patientengespräche und -behandlungen, Urlaubsabwesenheiten und dergleichen mehr.“ Fraglich sei zudem, ob der Arzt ohne Weiteres die Nummer seines Patienten an die Apotheke weitergeben würde. Für den Versender sei die Hürde der Kontaktaufnahme jedenfalls deutlich größer.

Selbst wenn Apotheker Rückfragen zur Therapie meist mit dem Arzt zu klären hätten, ändere dies nichts an ihrer Beratungspflicht gegenüber dem Patienten, so das LG. Rückfragen beim Patienten seien vielleicht die Ausnahme – es geht laut Urteil jedoch immerhin um den Umgang mit Arzneimitteln. Der Gesetzgeber habe auch für diese seltenen Fälle eine Kontaktaufnahme seitens der Apotheke vorgesehen.

Schließlich hatte DocMorris im erstinstanzlichen Verfahren noch die EU-Karte gespielt. Die ApBetrO sei für Apotheken in den Niederlanden gar nicht anwendbar. Zudem würden ausländische Versender davon diskriminiert. Letzteres bügelten die Richter damit ab, dass deutsche Versandapotheken ebenfalls eine Telefonnummer erfragen müssten, von einer Ungleichbehandlung also keine Rede sein könne.

Auch das von DocMorris ins Spiel gebrachte EuGH-Urteil zu Rx-Boni rettete die Versandapotheke nicht, Stichwort: Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit. Die Richter am LG finden nicht nur die Vorschrift der ApBetrO gerechtfertigt, sie sei auch ein weniger starker Eingriff als die Preisbindung. Es würden damit lediglich „Regelungen zur Durchführung des Handels“ gesetzt.

Schließlich wurde darum gestritten, ob der Verstoß gegen die ApBetrO überhaupt wettbewerbsrechtlich relevant ist. DocMorris wollte dies – wenn überhaupt – unterhalb der Bagatellschwelle sehen. Doch die Richter ließen auch in diesem Punkt nicht mit sich verhandeln: Die menschliche Gesundheit als Schutzgut könne gefährdet sein, wenn eine erforderliche Beratung durch die Apotheke unterlassen werde. Die Anforderungen an die Relevanz seien in solchen Fällen grundsätzlich gering. Mit anderen Worten: Es gibt keine Bagatellverstöße, wenn es um das Leben geht.

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