Mit einem Rekordverlust für 2021 und einem stagnierenden Umsatz für 2022 hat der DocMorris-Mutterkonzern die Börse verschreckt. Um 16 Prozent sackte der Aktienkurs ab, selbst den Konkurrenten Shop Apotheke zog es mit in die Tiefe. Wenig hilfreich war das Auftreten des Vorstands vor Analysten.
Mehrfach fragten die Teilnehmer einer Investorenkonferenz nach, mehrfach wich die Unternehmensspitze aus: Wieso man denn für 2022 einen Außenumsatz auf Vorjahresniveau erwarte, wenn bei DocMorris als „Kernmarke“ doch ein zweistelliges Wachstum im nichtrezeptpflichtigen Bereich angepeilt werde? Wo denn die Erlöse entsprechend wegfielen? Und wie viel? Walter Oberhänsli, Walter Hess und Marcel Ziwica wollten sich partout nicht in die Karten gucken lassen.
Doch die Analysten ließen nicht locker, und so rückten die drei Manager schließlich heraus, dass in der Schweiz ein Wachstum von 5 bis 10 Prozent angepeilt werde und im übrigen Europa ein Plus zwischen 10 und 20 Prozent. Legt man diese Zahlen als Korridor zugrunde, kann man sich ein grobes Bild machen.
Der Umsazt von Zur Rose im Jahr 2021 in Höhe von 1,73 Milliarden Franken verteilt sich wie folgt:
Zwischen 40 und 80 Millionen Franken sind also alleine an Wachstum außerhalb Deutschlands eingepreist.
Dazu kommt ein Plus im OTC-Geschäft von DocMorris – „zweistellig, wenn auch nicht mehr auf dem Niveau vergangener Jahre“. Hier kann man nur grob überschlagen, weil Zur Rose Details zu den einzelnen Segmenten seit jeher verweigert.
Zunächst: DocMorris macht nur einen Teil des Umsatzes von Zur Rose in Deutschland aus, 2020 waren es rund 450 Millionen Euro von damals insgesamt rund 820 Millionen Euro, also etwa 55 Prozent. Schreibt man dieses Verhältnis fort, kommt man auf knapp 600 Millionen Euro. Tatsächlich könnte es mittlerweile mehr sein, denn Apo-Rot wurde erst im vergangenen Jahr mit DocMorris verschmolzen. Sempora weist dagegen nur 510 Millionen Euro aus.
Knapp die Hälfte des Umsatzes von DocMorris entfielen in der Vergangenheit auf den Rx-Bereich. Dieses Volumen dürfte im vergangenen Jahr deutlich abgeschmolzen sein, nachdem Rx-Boni im Dezember 2020 verboten wurden. Daher hilft ein Blick auf die Konkurrenz: Shop Apotheke hat 2021 ein Drittel seines Rx-Geschäfts verloren, was aber – genauso wie bei Zur Rose – durch Zuwächse im OTC-Bereich aufgefangen wurde. Allerdings gibt es in Venlo nach wie vor den Bonus auf Privatrezepte.
Unterstellt man also, dass bei DocMorris 2021 Rx-Umsätze von rund 75 Millionen Euro weggefallen und 150 Millionen Euro übrig geblieben sind, käme man auf 450 Millionen Euro an geschätzten Erlösen im nicht verschreibungspflichtigen Bereich. Wenn dieses Segment 2022 zweistellig wachsen soll, müssten zwischen 45 Millionen Euro (bei 10 Prozent) und 90 Millionen Euro (bei 20 Prozent) geholt werden.
In der Summe mit den ausländischen Aktivitäten wäre also ein Wachstum von rund 80 bis 160 Millionen Franken eingepreist – das sich dann nicht im Außenumsatz wiederfinden soll. Wo also werden Erlöse in solch gewaltigem Umfang wegfallen? Die groben Schätzungen zeigen, dass wohl nicht ausschließlich der Rx-Bereich gemeint ist, zumal hier das Schlimmste bereits im vergangenen Jahr ausgestanden sein dürfte.
Doch es gibt noch eine Besonderheit in der Jahresbilanz von Zur Rose, nämlich der Außenumsatz von Apotheken, die durch Zur Rose beliefert werden, aber nicht konsolidiert werden: 309 Millionen Euro entfallen 2021 auf die Aktivitäten von Medpex, Apotal und Eurapon. Hier hat Zur Rose bislang nur das Großhandelsgeschäft übernommen; die Apotheken gehören, schon wegen des Fremdbesitzverbots, den rechtlich selbstständigen Apothekern, die ihr Versandgeschäft in den vergangenen Jahren in der Regel zu Rekordpreisen verkauft haben.
Es ist also mehr als naheliegend, dass hier mindestens in einem Fall der Stecker gezogen werden soll. Anders ergibt die Kalkulation keinen Sinn, dass DocMorris 80 bis 160 Millionen Euro im OTC-Bereich hinzugewinnen soll – und zwar bei geringeren Marketingaufwendungen wie das Management angekündigt hat. Außerdem hatte Zur Rose dies bereits mehrfach angekündigt, bislang aber nur bei Vitalsana und Apo-Rot durchgezogen. Die Verschmelzung eines weiteren Partners würde pro forma zu einem Gewinn an Umsatz für DocMorris und Zur Rose führen, bei gleichzeitigem Wegfall des entsprechenden externen Umsatzes – und damit in Summe gleich bleibendem Außenumsatz.
Zur Rose selbst dementiert solche Überlegungen: Die Schlussfolgerung, dass das Umsatzplus bei DocMorris quasi nur umgeleitet werde, sei falsch. „Unser Fokus liegt auf der Kernmarke DocMorris im Rahmen der Umsatzzielsetzung in Deutschland. Es handelt sich dabei um organisches Wachstum.“ Was es dann mit den Diskrepanzen in der Planung auf sich hat, wird allerdings nicht verraten, es gibt noch nicht einmal mehr Details zu den nicht konsolidierten Aktivitäten: „Der Außenumsatz setzt sich zusammen aus dem konsolidierten Umsatz der Zur Rose-Gruppe zuzüglich der Versandhandelsumsätze von Apotheken, die von der Zur Rose-Gruppe beliefert werden, abzüglich des konsolidierten Umsatzes für deren Belieferung. Mehr publizieren wir nicht dazu.“
Zu dem beschriebenen Szenario würde aber auch passen, dass im zweiten Quartal das neue automatisierte Logistikzentrum von DocMorris ans Netz gehen soll. Dass Oberhänsli & Co. nicht konkreter wurden, hat vermutlich interne Gründe: Dem Vernehmen nach herrscht unter den verschiedenen Ablegern ein erbitterter Wettbewerb, weil sie jeweils eigene Zielvorgaben haben. So kommt es nicht selten vor, dass sich die verschiedenen Marken in den Preisvergleichsportalen gegenseitig unterbieten. Das Management muss also erst einmal aufräumen, bevor es wieder echte Wachstumsziele in Angriff nehmen kann.
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