DocMorris: Chance oder Risiko für Apotheken? APOTHEKE ADHOC, 20.10.2020 12:16 Uhr
Für seine Plattform sucht DocMorris auch Apotheken als Partner – CEO Olaf Heinrich schlägt daher seit einiger Zeit versöhnliche Töne an. Dr. Hermann Sommer, Chef von Noventi, will ihn damit nicht durchkommen lassen: Er wirft DocMorris vor, am Untergang der Apotheke vor Ort zu arbeiten. Das Handelsblatt veröffentlichte ein Streitgespräch der beiden Manager, in dem die sich einen Schlagabtausch darüber liefern, wer mit seinem Geschäftsmodell die Zukunft der Arzneimittelversorgung sichert und wer sie für rein wirtschaftliche Interessen gefährdet.
„Wir sind eine Chance für die Apotheken, den Sprung in das digitale Zeitalter zu schaffen, denn dafür braucht es Verbündete“, sagt Heinrich im Streitgespräch. „Auf unserer Gesundheitsplattform wollen wir gemeinsam mit den Vor-Ort-Apotheken dem Kunden alle Möglichkeiten bieten, sodass Versand- und klassische Apotheken wunderbar nebeneinander existieren können.“ Alles andere seien „Spekulationen ins Blaue“.
Sommer macht sich dagegen nach eigener Aussage „große Gedanken, ob die klassische Apotheke und damit die bislang gut funktionierende deutsche Gesundheitsversorgung weiterbestehen kann, wenn ausländische Versandapotheken wie DocMorris immer weiter vordrängen“. Das E-Rezept werde den Versandhandel immens stärken. „Das darf nicht die Zukunft sein, wenn wir unsere hohe Qualität bei der Arzneimittelversorgung beibehalten wollen. Denn je mehr Versandhandel es gibt, desto weniger Apotheken vor Ort wird es geben.“
Auch Noventi wolle die Arzneimittelversorgung in die digitale Welt bringen. Plattformen von Versendern degradierten dagegen die klassischen Apotheken zu „reinen Auslieferstellen“. Heinrich selbst habe bereits erklärt, dass er nur rund 1100 Vor-Ort-Apotheken für seine Plattform benötige. „Das zeigt, wie DocMorris das System gefährdet“, so Sommer gegenüber dem Handelsblatt.
Heinrich wies das zurück: „Allerhand wissenschaftliche Untersuchungen“ würden zeigen, dass der Versandhandel gar nicht zum Apothekensterben beitrage. „Außerdem werden wir doch gar kein Monopolist sein. Sie arbeiten doch ebenfalls mit vielen anderen Partnern an einer Onlineplattform für Apotheken. Ich will die flächendeckende Versorgung stärken und nicht gefährden.“
Dabei bezichtigte er Sommer der Heuchelei: „Die Sorge von Herrn Sommer um die Versorgung ist nur vorgeschoben, um selbst wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Das kann man ja so machen, nur sollte man es dann auch so benennen.“ Das ließ der wiederum nicht auf sich sitzen. „Natürlich haben wir auch wirtschaftliche Interessen“, wendet Sommer ein. Aber Noventi gebe es als Unternehmen seit dem Jahr 1900 und es gehöre mehreren Tausend Apothekern, an die gar keine Gewinne ausgeschüttet würden. „Warum sollte ich persönlich also wirtschaftliche Interessen haben? Im Gegensatz zu Ihnen ist unser Handeln nicht dadurch bestimmt, möglichst große Dividenden zu generieren.“
Versandapotheken seien dagegen höchst problematisch, weil sie ganz andere Interessen als eine gut funktionierende Versorgung hätten. „Wirtschaftlich arbeiten wollen wir alle. Aber nicht alle wollen das als Monopolist. Und Sie sind börsennotiert, schlussendlich muss es Ihnen darum gehen, möglichst viel Geld zu verdienen.“
Wettbewerb fördere das Geschäft, wendet Heinrich ein – deshalb sei er sich auch sicher, dass es mehrere Plattformen geben werde und geben müsse. „Das passt aber nicht mit Ihrem Vorgehen bei der Übernahme von Teleclinic zusammen“, entgegnet Sommer. „Diese Vermischung zwischen Arzt und Apotheke ist bedrohlich. Die Ärzte sind nicht mehr unabhängig beim Verschreiben der Medikamente, und der Patient wird bei der Wahl seiner Apotheke beeinflusst.“ Er sei überzeugt: „Doc Morris hat Teleclinic nicht gekauft, um Geld loszuwerden, sondern, um eine gute Dividende zu bekommen.“
Zu einer Gesundheitsplattform gehöre die Arztleistung dazu, um die durchgängige Versorgungskette für den Patienten zu ermöglichen, argumentierte Heinrich im Handelsblatt und verwies aus die Corona-Pandemie: „Digital zum Arzt, das Medikament per Versand oder Botendienst.“ DocMorris halte sich ganz klar an die Gesetze. „Deshalb sind Bedenken, wir würden uns die Rezepte zuschustern, vollkommen unbegründet. Das ist doch nur ein Versuch, in unsere Richtung zu schießen.“
Teleclinic sei als Plattform nur Vermittler. „Dort sind keine Ärzte direkt angestellt. Sie sind also unabhängig von uns.“ Im Übrigen kooperiere Noventi selbst mit Tele-Ärzten. „Das ist eine Diskussion, mit der Sie Geschäftsmodelle der Zukunft unterbinden wollen.“
Sommer warf Heinrich vor, die Behandlungsdaten nutzen zu wollen. „Und wenn Sie wissen, wie Ärzte Patienten behandeln und welche Medikamente sie verschreiben, ist es ein Leichtes, die Patienten zu DocMorris zu locken.“ Eine Zuweisung innerhalb eines Konzerns ließe sich kaum kontrollieren. „Deshalb sollte der Gesetzgeber das Zuweisungsverbot auf gesellschaftsrechtliche Verbindungen ausweiten. Das ist unsere Forderung an Bundesgesundheitsminister Spahn.“
Heinrich widersprach: „Die Gefahr, die sie skizzieren, besteht überhaupt nicht. Die Behandlungsdaten gehen gar nicht an uns.“ Andererseits würde er sich wünschen, dass man in Deutschland neue Sachen erst einmal ausprobieren dürfe, bevor man sie verbiete. „Unser Gesundheitswesen ist durch die Regulierung der vergangenen Jahre nicht einmal im Ansatz digital.“ Der Ansatz, möglichst viel zu verbieten, sei „absolut der falsche“.
Sommer dagegen findet laut Handelsblatt, dass mit der Einführung des E-Rezepts im kommenden Jahr der Rückstand aufgeholt wird – nur dürfe man eben nicht in ein unsicheres System abdriften, das dem Patienten schaden könne.