DocMorris: Beihilfe zum Betrug? Alexander Müller, 25.02.2019 14:37 Uhr
DocMorris musste sich in der vergangenen Woche wegen mutmaßlich falscher Kaufbelege vor dem Landgericht Stendal verantworten. Apotheker Michael Nagler aus Tangerhütte hat die niederländische Versandapotheke zudem wegen Rx-Boni und mutmaßlicher Verstöße gegen Datenschutzgesetze verklagt. Eine Entscheidung wird am 14. März erwartet.
Naglers Anwalt Fabian Virkus von der Kanzlei Hönig und Partner berichtet, worum es in der Klage geht: Zum einen um die Boni, die DocMorris den Kunden bekanntermaßen Boni beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel gewährt. Das ist seit dem EuGH-Urteil aus dem Oktober 2016 auch rechtlich kaum noch anzugreifen. In diesem Punkt dürfte die Klage auch wenig Aussicht auf Erfolg haben, wie die „Volksstimme“ berichtet, die bei der mündlichen Verhandlung in der vergangenen Woche dabei war.
Anders steht es demnach um die Klage wegen der unterschiedlichen Belege, die DocMorris den Kunden ausstellt. Nagler hatte 2017 Testkäufe veranlasst, die seinen Verdacht bestätigten. Auf dem Privatrezept war Ibuprofen von 1A mit 600 mg verordnet. DocMorris gewährte den Neukundenrabatt von 10 Euro sowie den gewohnten Rx-Bonus. Die Schmerztabletten stellte DocMorris zunächst mit 12,32 Euro in Rechnung. Die 2,50 Euro wurden in der Zeile „Verrechnung Vorteile“ abgezogen, zusätzlich ein „Gutscheinabzug“ von 9,82 Euro aufgeführt. Die Schlussrechnung ist einfach: Der Zahlbetrag beläuft sich 0,00 Euro. DocMorris hatte das Arzneimittel verschenkt.
Explizit „zur Vorlage bei Ihrer Krankenkasse“ erhielt der Kunde außerdem eine Rezeptkopie. Auf dieser war allerdings nur das Gesamtbrutto von 12,32 Euro ausgewiesen. Die private Krankenversicherung erfährt damit nie, dass ihr Mitglied für das Arzneimittel de facto überhaupt nichts bezahlt hat.
Bei gesetzlich Versicherten hätte das gegebenenfalls nur Einfluss auf das Erreichen der Zuzahlungsbefreiungsgrenze sowie gegenüber dem Finanzamt. Anders stellt es sich bei Privatversicherten dar, denn die bekommen den vollen Betrag von ihrer Versicherung erstattet, wenn sie die Quittung so einreichen – obwohl sie die Zahlung nicht geleistet haben. Auf dem Beleg für die Kunden waren die Boni dagegen ausgewiesen.
Die Volksstimme zitiert die Vorsitzende Richterin, die dieses Vorgehen in der mündlichen Verhandlung als Anstiftung beziehungsweise Beihilfe zum Betrug bezeichnet habe. Rechtsanwalt Virkus bestätigte diese Darstellung. Eine Entscheidung ist in der Sache aber noch nicht gefallen. Zwar würde letztlich der Kunde zum Betrüger, zitiert die Volksstimme weiter, den Straftatbestand der Beihilfe oder Anstiftung seitens DocMorris sehe die Richterin aber als erfüllt an. Strafbar ist das aber nur, wenn der Kunde die falsche Quittung tatsächlich einreicht.
Rechtsanwalt Moritz Diekmann, der DocMorris vertrat, erklärte, die Belege seien zwischenzeitlich angepasst worden. Schon wegen der Wiederholungsgefahr wird die Sache aber am Landgericht entschieden werden müssen. Denn eine Unterlassungserklärung hat DocMorris bis jetzt nicht abgegeben. Und die missverständlichen Quittungen hatte das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) schon 2017 in einem anderen Verfahren untersagt. Darauf habe DocMorris jetzt reagiert, erklärte Diekmann auf Nachfrage.
Dem Verlauf der Verhandlung nach rechnet Virkus damit, im dritten Anklagepunkt recht zu bekommen. Dabei ging es um personenübergreifende Kundenkonten ohne Einwilligung der Betroffenen. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) galt zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Verstoßes noch nicht, aber das alte Bundesdatenschutzgesetz sah eine entsprechende Regelung vor.