Der Angriff von dm ist zunächst vor allem ein Angriff auf Versender wie Shop Apotheke und DocMorris. Weil sich in der Branche aber derzeit kein Geld verdienen lässt, geht der Konzern einen anderen Weg: Die Drogeriekette will nicht mit Schnäppchen bei Google „fischen“, sondern das eigene Ökosystem nutzen.
Seit Juli 2015 bietet dm nahezu das gesamte Sortiment auch über einen eigenen Onlineshop an. Parallel wird die App massiv beworben, aktuell wieder mittels Rabatten auf den gesamten Einkaufskorb. Die Kennzahlen sind durchaus beeindruckend: 23,5 Millionen Mal wurde die App laut internen Unterlagen mittlerweile heruntergeladen. 4,1 Millionen eingeloggte Kundinnen und Kunden nutzen das Angebot jeden Monat; 39 Millionen Sitzungen kommen auf diese Weise pro Monat zusammen.
Hinzu kommen monatlich mehr als 15 Millionen Sessions auf der Website, hier sind laut Konzernangaben jeden Monat 1,1 Millionen Kundinnen und Kunden mit ihrem Kundenkonto aktiv. Laut eigenen Angaben ist dm damit nicht nur der führende Onlineshop unter den Drogeriemärkten in Deutschland, sondern auch die Nummer 4 unter den relevantesten Einkaufskanälen für OTC-Präparate – noch vor allen Versandapotheken. Gemeint sind allerdings wohl die freiverkäuflichen und nicht die apothekenpflichtigen Präparate.
Dasselbe gelte für Kosmetika: Hier beziffert der Konzern den eigenen Anteil am Gesamtmarkt auf 40 Prozent nach Absatz; der Rest entfällt auf Discounter, Lebensmitteleinzelhändler und andere Drogerieketten. Die zugrunde liegenden Zahlen von Nielsen zeigten, dass dm stationär und online mehr Kosmetikprodukte verkaufe als jeder andere Anbieter. Betrachtet man nur den Drogeriekanal, liegt der Anteil demnach sogar bei knapp 53 Prozent – mehr als jede zweite Packung werde also über dm verkauft.
Zudem verweist dm auf die anhaltend hohen Wachstumsraten: Der Gesamtumsatz aus Filial- und Online-Geschäft ist nach Konzernangaben 2023 um mehr als 14 Prozent auf 11,6 Milliarden Euro gewachsen, die Zahl der verkauften Packungen um 7,6 Prozent auf 4,4 Milliarden Stück.
„Omnichannelretail“ als integratives Gesamtangebot erfülle die Kundenbedürfnisse, so das Fazit in dem internen Memo. Das gilt aus Konzernsicht genauso für das geplante Apothekengeschäft. Auch wenn zunächst nur der Versandhandel über Tschechien möglich ist: Die Filialen eigneten sich als „Werbeträger mit Millionen an Kundenkontakten“.
Und mehr als das: An mehr als 1500 Standorten – deutschlandweit gibt es rund 2100 Filialen – hat der Konzern mittlerweile Abholstationen installiert. Diese will dm auch im Arzneimittelbereich nutzen. Der Konzern spricht von einem „einzigartigen Click & Collect Service durch dm-Abholstationen/Filialabholung“. Dank des „Quasi Multi-Channel“ gebe es in der „Filialwelt“ einen „emotionalen Anker“.
Und es gibt weitere Alleinstellungsmerkmale, auf die dm beim Eintritt in den Markt setzen will: So hätten die klassischen Versender mit einem „geringen (Preis-)Vertrauen der Kund:innen bei hoher Preissensibilität“ zu kämpfen. dm stehe für Dauerpreise und damit hohes Preisvertrauen. Darüber hinaus gebe es im klassischen Versandhandel nur eine geringe Kundentreue. dm dagegen habe „hohe Vertrauens-, Beliebtheits- und Zufriedenheitswerte“ und biete damit ein „hochwertiges und pharmaadäquates Umfeld“.
Der Gehalt dieser internen Analyse lässt sich nicht ohne Weiteres nachvollziehen. Die Vorstände von Shop Apotheke und DocMorris werden nicht müde zu betonen, dass gerade Rx-Kunden eine hohe Loyalität hätten: Laut DocMorris-Management bestellen OTC-Kunden im Durchschnitt zwei Mal pro Jahr, Rx-Kunden sogar mehr als vier Mal. Shop Apotheke wiederum berichtete unlängst, dass 2024 pro Quartal knapp 9 Millionen Aufträge eingegangen seien. Die Zahl der Wiederkehrer lag demnach bei 88 Prozent.
Shop Apotheke hat nach eigenen Angaben rund 12,5 Millionen aktive Kundinnen und Kunden, also solche, die in den zurückliegenden zwölf Monaten mindestens einmal bestellt haben. Allerdings handelt es sich hier um Angaben des Mutterkonzerns Redcare, entsprechend ist auch das internationale Geschäft einbezogen. DocMorris meldete zuletzt 10,3 Millionen aktive Kundinnen und Kunden.
Im Zusammenhang mit der App ist bei Shop Apotheke von „mehr als 6,5 Millionen zufriedenen Kunden“ die Rede, eine konkrete Zahl zu Downloads oder Nutzungsverhalten gibt es nicht. Der Versender spendiert einen Rabatt für die erstmalige Nutzung; dank der TV-Werbung mit Günther Jauch wurde die App alleine im Oktober 415.000 Mal heruntergeladen.