Apothekenpflicht

dm verkauft NAC als Lebensmittel Alexander Müller, 09.01.2012 13:04 Uhr

Berlin - 

Die Drogeriekette dm kratzt weiter an der Trennung zwischen Drogerie und Apotheke – mit neuen Mitteln: Zum Portfolio der Hausmarke „Das gesunde Plus“ zählt ein Hustenlöser mit dem Wirkstoff Acetylcystein. Weil NAC-haltige Arzneimittel* unter die Apothekenpflicht fallen, verkauft dm die Brausetabletten als Lebensmittel. Das hat jetzt die Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen.

Die meisten NAC-haltigen Arzneimittel sind zur Behandlung von akuten und chronischen bronchopulmonalen Erkrankungen zugelassen und damit apothekenpflichtig. Zur Therapie der Mukoviszidose ist der Wirkstoff sogar verschreibungspflichtig.

Doch dm verkauft den Hustenlöser zur „diätetischen Behandlung von Bronchitis“ und beruft sich damit auf eine Ausnahmeliste der Diätverordnung (DiätV). Darin ist NAC als erlaubter Zusatzstoff aufgeführt, allerdings mit dem Vermerk „nur für bilanzierte Diäten“. Demnach darf NAC in Nährstoffformulierungen vorkommen, die auf bestimmte Beschwerden oder Krankheiten angepasst sind.

Obwohl dm das Produkt unter dem Namen „Hustenlöser NAC akut“ verkauft, beruft man sich in der Konzernzentrale auf die Ausnahme: „Bei diesem Produkt handelt es nicht um ein pharmakologisch wirkendes Funktionsarzneimittel, sondern um ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“, hieß es auf Nachfrage.

Zu dieser Verwendung habe der Gesetzgeber den Wirkstoff ausdrücklich zugelassen. Zudem trage das Produkt den Hinweis, dass es unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden müsse, auch die möglichen Nebenwirkungen seien auf der Verpackung genannt.

 

Jetzt hat sich das zuständige Sozialministerium Baden-Württemberg der Sache angenommen. Nach einem eigens in Auftrag gegebenen Gutachten des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes (CVUA) in Karlsruhe ist der Hustenlöser ein Fertigarzneimittel und als solches zulassungspflichtig. Das Ministerium teile diese Einschätzung, sagte eine Sprecherin gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Weil das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über die Einstufung eines Produkts als Arzneimittel entscheiden muss, will das Regierungspräsidium Karlsruhe einen entsprechenden Antrag stellen.

Der Sachverständigenausschuss für Apothekenpflicht beim BfArM hatte sich im September 2009 gegen eine Freigabe von NAC ausgesprochen. Allerdings hatten die Experten schon damals darauf hingewiesen, dass NAC-haltige Produkte auch als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden. Der Ausschuss hatte eine Überprüfung der Verkehrsfähigkeit dieser Produkte gefordert.

NAC ist zum Beispiel in mehreren Produkten der Firma Orthomol enthalten. Eine Tagesdosis der Präparate „Fertil plus“, „Glaukom“, „Arthro plus“ und „Cardio“ enthält nach Angaben des Herstellers je 80 mg ACC, bei „Tendo“ sind es 100 mg. Orthomol verkauft seine Nahrungsergänzungsmittel allerdings nur an Apotheken.

Der Hustenlöser von dm, produziert übrigens vom Lohnhersteller Dr. Kleine Pharma, dessen Schwesterfirma Districon auch Schlecker/Vitalsana beliefert, enthält 200 mg NAC pro Brausetablette – und damit die typische Dosierung entsprechender Arzneimittel aus der Apotheke.

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Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes wurde Acetylcystein mit ACC abgekürzt. Inhaberin dieser Wortmarke in der Klasse „apothekenpflichtige pharmazeutische Erzeugnisse“ ist die Firma Hexal AG. Wir haben die Abkürzung in NAC geändert.