Wer sich Kosmetika aus fernen Ländern auf Amazon Marketplace bestellt, lebt mitunter gefährlich. Viele Produkte entsprechen nicht der EU-Verordnung und gefährden die Gesundheit, schreibt der Spiegel.
Die Parfümeriekette Douglas und die Drogerieketten dm und Rossmann taten sich nach einem Bericht des Magazins zusammen und ließen bei Amazon Marketplace feilgebotene Artikel vom darauf spezialisierten Unternehmen Sefiro testen. Ergebnis: Von 24 unter die Lupe genommenen Produkten galten gerade einmal zwei als in Deutschland uneingeschränkt verkehrsfähig. Bei den übrigen 22 wurden 93 Verstöße gegen die EU-Kosmetikverordnung festgestellt.
„Weisy Breast Ätherisches Öl“ versprach eine „Thorax-Verbesserung“, gemeint war eine Brustvergrößerung. Die Tester fanden vier nicht angegebene Allergene. Im „Honolulu Bronzing Powder“ wurden Parabene nachgewiesen. Die Konzentration dieser speziellen Konservierungsstoffe lag weit über der zulässigen Höchstkonzentration. Auch die in Deutschland geltenden Bleiwerte wurden überschritten. Das „Arganöl Shampoo gegen Haarausfall“ stimmte gar nicht mit dem auf Amazon Marketplace beworbenen Mittel überein. Das Shampoo wies viele nicht deklarierte Inhaltsstoffe auf, Arganöl war jedoch nicht nachzuweisen.
Sei keine in der EU ansässige Firma genannt, die für mögliche Rechtsverstöße hafte, sei zu befürchten, dass die Produkte auch nicht beim Cosmetic Products Notification Portal der EU registriert seien, so der Spiegel. Somit seien auch die Inhaltsstoffe nicht bekannt, was die Erstintervention etwa bei einem Giftnotfall erschweren würde.
Amazon weicht auf Nachfrage aus: „Die Sicherheit unserer Kunden hat oberste Priorität, wir möchten, dass unsere Kunden jederzeit mit Vertrauen bei Amazon einkaufen.“ Man habe „bereits einige der angeführten Produkte entfernt“. Welche das sind und welche trotz bekannter Mängel noch immer im Sortiment geblieben sind, wollte der Versandhändler nicht mitteilen. „Die Untersuchung der Produkte läuft noch“, so die Begründung.
Wenn sich Sicherheitsbedenken als begründet herausstellten, werde es entfernt, man wende sich dann „an Verkäufer, Hersteller und Behörden, um mithilfe zusätzlicher Informationen eventuelle weitere Maßnahmen zu ergreifen“. Wie häufig das vorkommt und wie viele Beschwerden beim Kundendienst schon eingegangen seien, wollte Amazon nicht verraten.
Verbraucherschützer wollen das dem Onlinehandelsriesen nicht so ohne Weiteres durchgehen lassen: „Gerade ein so großer Player wie Amazon darf sich bei so gravierenden Vorwürfen nicht wegducken“, so die Chemikerin Kerstin Etzenbach-Effers von der Verbraucherzentrale NRW. „Unzureichende Informationen bei einer Produktbestellung sind ein häufiges Problem im Onlinehandel.“
Die Kontrolle von Produkten ist bislang Ländersache. dm, Douglas und Rossmann haben die Testergebnisse an Justiz- und Verbraucherschutzministerin Katarina Barley (SPD), Ernährungs- und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und die Staatsministerin für Digitalisierung Dorothee Bär (CSU) weitergeleitet.
In ihrem Koalitionsvertrag hätten sich die Regierungsparteien dazu bekannt, „den Verbraucherschutz auch in der digitalen Welt sicherzustellen“, schreiben sie in ihrem Begleitbrief. Doch Plattformen wie Ebay oder Amazon Marketplace böten die Möglichkeit, „in Deutschland Waren zu verkaufen, ohne sich um die geltenden Vorschriften kümmern zu müssen“. Es erscheine „äußerst befremdlich“, dass „auch das kleinste Geschäft mit aller notwendigen Strenge kontrolliert“ werde, während es „Schwergewichten des Onlinehandels ohne Weiteres möglich ist, frei von jeglicher staatlichen Aufsicht zu handeln“.
Die drei Drogeriemultis fordern eine Mithaftung der Plattformen und einen Rechtsrahmen auf EU-Ebene, „der es den Überwachungsbehörden ermöglicht, neue Vertriebswege des digitalen Handels ebenso effektiv zu kontrollieren wie den stationären Handel“.
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