Die Drogeriekette dm will ab Sommer die Top-OTC-Marken über den eigenen Webshop verschicken. Die Hersteller halten sich mit Einschätzungen dazu zurück und scheuen sich davor, ihre Strategie offenzulegen. Doch es dürfte klar sein, dass sich die großen OTC-Anbieter dem neuen Versender aus Tschechien nicht verwehren werden – auch wenn ein harter Preiskampf erwartet werden dürfte. Kritik kommt von Pharma Deutschland.
dm will den Apothekenmarkt aufrollen und Unternehmenschef Chef Christoph Werner hat Großes vor. Zunächst ist ein OTC-Versandhandel aus Tschechien geplant, doch in Karlsruhe denkt man bereits weiter und prüft etwa den Einbezug des Filialgeschäfts, wie aus internen Papieren hervorgeht. Die Hersteller sind längst angesprochen und über die Offensive informiert.
Im Frühjahr hatte dm bei den ersten Unternehmen vorgefühlt, wie sie zum Start der „dm-Apotheke“ stehen. Bereits Ende April soll es einen Termin bei L’Oréal gegeben haben; der Konzern hinter Apothekenmarken wie Vichy, La Roche-Posay & Co. gehört mit anderen Produktreihen ohnehin schon zu den größten Lieferanten von dm. Im Sommer folgten weitere große Hersteller, die mehrere relevante Produkte im Sortiment haben, darunter dem Vernehmen nach Bayer. Seit Herbst finden Sondierungsgespräche auch mit kleineren Anbietern statt.
Zunächst will dm mit einem ausgewählten Sortiment starten: Gemeinsam mit einer Unternehmensberatung wurden 2500 OTC-Medikamente und 1500 Kosmetikartikel identifiziert, die zum Start ins Sortiment aufgenommen werden sollen. Weil es sich um die umsatzstärksten Marken handelt, wird trotzdem schon ein dreistelliger Millionenumsatz angepeilt.
Pharma Deutschland betont, die Unterschiede zwischen Apotheke und Drogerien zu beachten: „In der Versorgung der Menschen haben Apotheken und Drogerien gänzlich verschiedene Rollen. Beide haben ihre Berechtigung. Der Versuch von dm in den Apothekenmarkt vorzustoßen, verkennt das“, sagt Dorothee Brakmann, Hautgeschäftsführerin bei Pharma Deutschland. Denn so wenig eine Apotheke bezogen auf die Einkaufsmacht, das Sortiment und die Preisgestaltung mit einer Drogeriekette mithalten könne, würden es Standorte einer Drogeriekette schaffen, gute Apotheken zu sein. „Die Arzneimittelexpertise und die Beratungskompetenz von Apotheken entstehen in den einzelnen Apotheken vor Ort und werde von den dort arbeiten Menschen angewandt. Das ist nicht skalierbar.“
Vor allem Hersteller mit dualen Vertriebskonzepten dürften sich schwer tun, der Kette die kalte Schulter zu zeigen. Die großen OTC-Player wollen sich nicht ins Blatt schauen lassen und scheuen sich vor konkreten Aussagen.
Während Ratiopharm/Teva einräumt, im regelmäßigen Austausch mit allen relevanten Marktteilnehmern zu stehen und „fortlaufend neue Möglichkeiten im Sinne einer bedarfsgerechten Patientenversorgung“ zu prüfen, halten sich andere Anbieter zurück. Bei Bayer (Aspirin, Bepanthen) etwa gibt es keine Antwort auf die dm-Pläne. Auch Orthomol hält sich bedeckt – es hätten sich „ausreichend Beteiligte zum Thema geäußert“, kommentiert eine Firmensprecherin lediglich. Bei Procter & Gamble (Wick, Femibion, Vigantolvit) etwa will man sich „an Spekulationen nicht beteiligen“. Man wolle sich zu den dm-Plänen nicht äußern, sagt eine Unternehmenssprecherin.
Auch die Schwabe-Gruppe ist vorsichtig: „Wir verfolgen die Bestrebungen von dm, in den Versandhandelsmarkt mit OTC-Produkten einzusteigen, sehr genau, bitten aber um Verständnis, dass wir derzeit zu diesem Thema keine weitere Stellung nehmen“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Von dem Hersteller von Marken wie Tebonin, Lasea oder Umckaloabo kommt gleichzeitig ein Bekenntnis für die Apotheke: „Schwabe unterstützt die inhabergeführte Vor-Ort-Apotheke und setzt sich intensiv auf allen Ebenen für deren Stärkung ein.“
Haleon (Voltaren) räumt ein, „zu Details der Zusammenarbeit mit unseren Partnern gegenüber Dritten keine Stellung“ zu nehmen. „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass wir mit Online-Apotheken, die den deutschen Markt bedienen, bereits seit mehreren Jahren zusammenarbeiten“, sagt ein Unternehmenssprecher. „Vor-Ort-Apotheken sind und bleiben jedoch für uns ein sehr wichtiger Partner. Die Vor-Ort-Apotheken sind essenziell für den Zugang zu verschreibungspflichtigen Medikamenten als auch zu rezeptfreien Arzneimitteln und OTC-Produkten. Deren schnelle Verfügbarkeit, die individuelle Beratung vor Ort durch geschultes Apothekenpersonal und die Vermittlung von Gesundheitskompetenz entlasten das Gesundheitssystem. Mit der aktiven Unterstützung des Self-Care-Ansatzes befähigt das Apothekenpersonal die Patientinnen und Patienten, sich selbst noch besser um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden kümmern zu können.“
Auch in der Freiwahl gibt es für dm lukrative Marken, an denen die Drogerie bereits seit Jahren Interesse hat. Denn auch wenn das Geschäft mit Apothekenkosmetik vor Jahren eingestellt wurde, weiß man in Karlsruhe um die Nachfrage nach Marken wie Eucerin oder La Roche-Posay. Doch auch L’Oréal scheut eine Stellungnahme: „Wir bitten um Verständnis, dass wir grundsätzlich keine Aussagen zu den Unternehmensstrategien von Wettbewerbern oder Handelspartner machen“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Zusammengearbeitet werde mit „ausgewählten autorisierten Partnern“, die über „die Kriterien des Depotvertrags geregelt“ seien. „Der Schutz und Ausbau des zentralen Vertriebskanals Apotheke sind für uns von größter Bedeutung, denn die Apotheke ist und bleibt unsere Heimat“, betont sie.
Der Einstieg von dm ins Apothekengeschäft hängt auch davon ab, ob die Industrie sich darauf einlässt. Wie vor 20 Jahren stehen die Hersteller vor einer Zerreißprobe. Tatsächlich dürften die Hersteller den Einzug von dm in den OTC- und Freiwahlbereich mit gemischten Gefühlen betrachten. Denn auch wenn einerseits ein Verkaufsschub wegen der Prominenz des neuen Vertriebspartners zu erwarten sein dürfte, wird die Kette mit ihrer Marktmacht sicher versuchen, die Preise zu drücken.