Rezeptabrechnung

Die Rache der Rechenzentren

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Berlin -

Von außen betrachtet sind die Rechenzentren mit ihrer Verbandsgründung näher zusammengerückt – mit dem Schönheitsfehler, dass Branchenprimus VSA nicht mitspielt. Doch abseits der gemeinsamen politischen Interessen hat sich der Wettbewerb zwischen den Anbietern in den vergangenen Jahren extrem verschärft. Aus den einst verteilten Jagdgebieten ist ein offenes Rabattschlachtfeld geworden.

Früher war es sehr einfach: Es gab die Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheker (VSA) im Süden, das Norddeutsche Apothekenrechenzentrum (NARZ) im Norden, dazwischen ARZ Haan und ARZ Darmstadt sowie in der Hauptstadt die kleinere Rezeptabrechnungsstelle Berliner Apotheker (RBA). Der Name war meist Programm.

Kunden im Stammgebiet der Konkurrenz wurden nicht aktiv akquiriert und selbst auf Nachfrage mit schlechten Konditionen verschreckt. Diese ließen sich sogar über die dünne Präsenz auf fremdem Territorium glaubhaft machen. Ein verteilter Markt, ein friedlicher Markt. Aber das ist zehn Jahre her. Marktführer VSA mit etwa 6500 Kunden nennt sich nicht mehr „süddeutsch“ und ist es auch längst nicht mehr. Zusammen mit der Tochter ALG ist die VSA wie auch NARZ/AVN und ARZ Haan heute nahezu bundesweit vertreten.

Spätestens seit der „Daten-Affäre“ ist die Stimmung zwischen den Anbietern aufgeheizt. Als Aggressor unter den sogenannten standeseigenen Rechenzentren haben die Mitbewerber das ARZ Haan ausgemacht. Erfolgreicher Vertrieb, meinen die einen, Umsätze mit Dumpingpreisen und robusten Vertriebsmethoden gekauft, lästern die anderen. Jedenfalls konnte sich das ARZ Haan Schätzungen zufolge auf knapp 4000 Kunden steigern und ist damit klare Nummer 2 im Markt hinter der VSA mit rund 6500 Apotheken. Jetzt könnte das ARZ Haan aber selbst zum Gejagten werden.

Hintergrund ist die doppelte Vertragsstrategie des ARZ Haan, die insbesondere ab 2013 verfolgt wurde. Mit den eigenen Kunden wurden damals 5-Jahres-Verträge geschlossen – eine in der Branche ungewöhnlich lange Laufzeit. Die Apotheker wurde mit stabilen Abrechnungskonditionen geködert. So abgesichert ging das ARZ Haan bei dem Konkurrenten „wildern“. Das allerdings auch ohne schlechtes Gewissen, schließlich war die Konkurrenz im eigenen Stammland NRW mit Tochterfirmen unterwegs.

Das Vertriebsgebiet wurde zunächst auf das NARZ-Gebiet ausgeweitet. Der Außendienst war in Niedersachsen, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern unterwegs, das NARZ musste in dieser Zeit Federn lassen, hat aber auch dagegengehalten. Die Norddeutschen hatten gezielt Apotheken in NRW angeschrieben, nachdem der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) als Anteilseigner in Haan abgesprungen war. Heute rechnen beim NARZ etwas über 3000 Apotheken ihre Rezepte ab.

Ab Sommer 2017 griff das ARZ Haan auch im Süden an. Von konzertierten Aktionen in VSA-Hochburgen wie München oder Nürnberg ist die Rede, die von dem Haan-Außendienst systematisch abgegrast wurden. Auch während der Expopharm soll es ein gezieltes Manöver südlich des Weißwurst-Äquators gegeben haben, was allerdings nicht bestätigt ist.

Von den aggressiveren Vertriebsmethoden des ARZ Haan wurde die Konkurrenz seinerzeit überrascht. Ausgerechnet das eher friedliebende ARZ Darmstadt mit schätzungsweise 2500 Kunden hatte es in dieser Zeit schwer – eingeklemmt zwischen den Vertriebsgebieten von ARZ Haan und VSA. Der Branchenprimus hat in der Folge allerdings seinerseits vor allem im Norden zurückgeschlagen. Der ALG-Außendienst wurde gezielt zu Apotheken geschickt, die zum ARZ Haan gewechselt waren. Auch das NARZ ließ sich zähneknirschend auf den Preiskampf ein.

In diesem Jahr holt die Konkurrenz zum Gegenschlag aus: „Auch 5-Jahres-Verträge laufen aus“, so die frohe Botschaft in den Firmenzentralen. Das wisse auch der eigene Außendienst. Dem Vernehmen nach wurden sogar zuvor schon Apotheker unterstützt, die vorzeitig aus ihren Verträgen herauswollten. Zwar wurde eine Handvoll Apotheker vom ARZ Haan zunächst wegen Vertragsbruchs verklagt, auf eine gerichtliche Klärung ließ es das Rechenzentrum am Ende aber nicht ankommen.

Doch die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Marktanteile jenseits der 80 Prozent haben auch die Großen kaum noch in ihren Stammgebieten. Und die Abrechnungspreise sind im Keller, daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Während früher typischerweise 0,22 Prozent des Umsatzes als Gebühr für die Rezeptabrechnung anfielen, sind heute 0,17 Prozent normal. Die neuen Kampfpreise bewegen sich im Bereich von 0,14 Prozent des Rezeptbrutto.

Daneben gibt es noch ein paar Stellschrauben wie Kappungsgrenzen bei Hochpreisern, unterschiedliche Auszahlungstermine oder besondere Dienstleistungen. Das Ganze ist aber längst nicht so verworren wie bei den Großhandelskonditionen. Und für die Apotheken, an Verhandlungen um Nachkommastellen bei den Einkaufskonditionen gewöhnt, geht es bei der Abrechnung auch gar nicht um besonders viel Geld. Die monatlichen Gebühren liegen bei einer normalen Apotheke bei rund 250 Euro. Aber Wettbewerb ist Wettbewerb und den haben jetzt auch die Rechenzentren.

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