Die OTC-Strategien der Pharmakonzerne Patrick Hollstein, 20.09.2016 11:46 Uhr
Wenn es um die Perspektiven für das OTC-Geschäft geht, ticken Bayer und GlaxoSmithKline gleich: Globale Marken, die in ihrem Bereich die Champions sind, genießen die volle Aufmerksamkeit. Alles andere ist kalter Kaffee. Dagegen haben die beiden Verfolger im globalen Business, Sanofi und Johnson & Johnson, eine andere Strategie.
„Wir wollen uns bei Consumer Health auf globale Marken konzentrieren, die in ihren jeweiligen Kategorien führend sind und differenzierte, auf die jeweiligen lokalen Märkte zugeschnittene Markenstrategien implementieren“, erklärte Konzernchef Werner Baumann vor Investoren. Im Fokus stünden dabei Schlüsselmärkte wie die USA, China, Brasilien und Russland.
Außerdem will Bayer Innovationen im Consumer-Bereich beschleunigen. Ziel sei es unter anderem, das Potenzial der Zulassung bislang rezeptpflichtiger Arzneimittel für die Selbstmedikation auszuschöpfen, so Baumann. Außerdem sollen neue digitale Gesundheitsangebote für den Konsumenten entwickelt werden.
Damit gleich die Strategie 1:1 der von GlaxoSmithKline (GSK). „Für uns machen Kategorien keinen Sinn, in denen wir nicht Nummer 1 oder 2 sein können“, sagte vor einem Jahr Deutschlandchef Erhard Heck im Interview mit APOTHEKE ADHOC.
Eine andere Strategie verfolgen dagegen die beiden im globalen Ranking folgenden Hersteller: Sanofi versprach im Vorfeld des Tauschgeschäfts mit Boehringer, Mitarbeiter und kulturelle Besonderheiten zu berücksichtigen und zu schützen.
Oft arbeiteten die Teams vor Ort schneller und effizienter, wen man ihnen keine Konzernregeln überstülpe, so Vincent Warnery, Senior Vice President Global Consumer Health Care Division bei Sanofi. „Wir sind nicht besessen von globalen Marken.“
Auch bei Johnson & Johnson (J&J) geht es nach den Worten von Birgit Schuhbauer, Global Vice President Strategic Marketing OTC, nicht immer um den ganz großen Wurf: Mitunter seien bei Zukäufen strategische Erwägungen mit Blick auf die regionale Präsenz und das Portfolio ausschlaggebend. Man dürfe auch kleinere Deals nicht unterschätzen, denn mitunter entstünden aus kleineren Zukäufen auch globale Marken. Schuhbauer nennt o.b. und Neutrogena als Beispiele.
Der britische Pharmakonzern ist seit der Integration des OTC-Geschäfts von Novartis die weltweite Nummer 1 im Bereich der Selbstmedikation. Bayer folgt seit der Übernahme der Consumer-Sparte von Merck & Co. auf Rang 2. Sanofi/Boehringer löst demnächst J&J als Nummer 3 ab.
Hierzulande ist der OTC-Markt nach wie vor mittelständisch geprägt: Laut Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) beschäftigen 93 Prozent der Hersteller weniger als 500 Mitarbeiter, 76 Prozent sogar weniger als 100. Auch bei den Neuzulassungen können Familienunternehmen durchaus mit den Großkonzernen mithalten.
Unter den umsatzstärksten OTC-Produkten findet sich eine vielfältige Mischung aus Konzern- und Mittelstandsware. Zwischen Procter & Gamble, Bayer und GSK reihen sich deutsche Klassiker ein: Gängige Produkte von Mittelständlern wie Prospan (Engelhard), Magnesium Verla (Verla), Nasic (Klosterfrau), GeloMyrtol (Pohl Boskamp), Tebonin (Schwabe) und Sinupret (Bionorica) können den großen Platzhirschen die Stirn bieten.