Die Daten-Experten Benjamin Rohrer, 30.05.2011 14:29 Uhr
Ohne Informationen geht in der Gesundheitswirtschaft nichts. Um Absätze zu evaluieren und neue Strategien auf ihr Potential zu überprüfen, ist auch die Pharmaindustrie auf Daten angewiesen. Einer der größten Anbieter von Informationen rund um das Thema Arzneimittel und daraus erstellter Analysen ist der internationale Marktforschungs- und Beratungskonzern IMS Health. Seit über 50 Jahren kauft IMS Daten zu Absätzen und Umsätzen, Markanteile und Märkten - mittlerweile in mehr als 100 Ländern.
1954 gründete der Werbemanager Bill Frohlich „Intercontinental Marketing Services“ (IMS). Frohlich hatte zuvor Werbekampagnen für US-Arzneimittelhersteller betreut und bemängelt, dass nur selten genügend Marktinformationen vorlagen, um die Kampagnen nutzerorientiert zu gestalten.
Die erste IMS-Analyse wurde allerdings über Deutschland erstellt: Unter dem Titel „Der pharmazeutische Markt“ veröffentlichte das Unternehmen 1957 eine Übersicht über den westdeutschen Pharmamarkt. Für die Erstellung hatte IMS Daten von Großhändlern gekauft. In der Studie wurden die Marktanteile verschiedener Medikamente und Hersteller verglichen und die Daten nach Wirkstoffklasse, Packungsgröße und Dosierung sortiert. Hersteller auf der ganzen Welt begriffen die Bedeutung solcher Analysen: Bis 1969 veröffentlicht IMS auch in Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und in Japan ähnliche Analysen.
Während das Unternehmen in den 1970ern und 1980ern durch Übernahmen in Nord- und Südamerika aktiv wurde, lernten auch Deutschlands Apotheker allmählich IMS Health kennen: Durch die Übernahme der Unternehmensgruppe „Interdroma“ sicherte sich IMS 1973 die Rechte an der „Gelben Liste“, einem Arzneimittelverzeichnis, das bis heute genutzt wird, um Tabletten anhand ihrer Form und ihres Aussehens zu identifizieren.
2002 stellte IMS seine Analysen auf komplett neue Füße: Fortan kaufte das Unternehmen auch bei Apotheken und deren Rechenzentren Daten. Mit der Analyse „PharmaScope“ begann IMS, Daten zu allen GKV-Abrechnungen zu beziehen. Zuvor hatte das Unternehmen die Einkäufe der Apotheken bei den pharmazeutischen Großhändlern als primäre Datenquelle genutzt.
Um Privatrezepte, den OTC-Markt sowie alle anderen Barkäufe in Apotheken noch genauer zu evaluieren, führte IMS auch das so genannte „Apothekenpanel“ ein. Hierfür teilten die Marktforscher Deutschland in Regionen ein; in diesen Gebieten erhebt IMS seitdem in einer für die Gebietseinheit stellvertretenden Apotheke Stichproben, insgesamt in 4000 deutschen Apotheken. Die Apotheker erhalten zwischen 500 und 600 Euro jährlich für die Datenlieferung.
Doch IMS ist nicht nur Informationenbeschaffer: In den vergangenen zehn Jahren entwickelte das Unternehmen die Geschäftssparte „Beratung“. Mit den eigens gewonnen und analysierten Daten erstellen die Berater für Kunden aus der Pharmaindustrie beispielsweise Absatzanalysen und Zielgruppenprofile.
Für rund 5,8 Milliarden US-Dollar haben die Großinvestoren TPG Capital und CPP Investment im vergangenen Jahr das Marktforschungsunternehmen von der Börse genommen. IMS beschäftigt weltweit mehr als 7200 Mitarbeiter und gibt jährlich mehr als 700 Millionen Dollar für Daten aus, die unter anderem aus fast 740.000 Apotheken bezogen werden.
Als weltweiter Marktführer verkauft der Konzern seine Analysen eigenen Angaben zufolge an „jedes größere Pharmaunternehmen“, Regierungen, Krankenversicherer sowie Forschungseinrichtungen. Insgesamt setzte IMS 2009 rund 2,2 Milliarden -Dollar um. Etwa 44 Prozent aller Umsätze stammen aus Nord- und Südamerika, weitere 40 Prozent aus Europa und 16 Prozent aus Asien.