Versandhandel

Die Amazon-Apotheker Carolin Ciulli, 18.02.2019 10:05 Uhr

Berlin - 

Für einige Apotheker ist Amazon Geschäftspartner. Sie machen sich den Online-Marktplatz zunutze. Amazon ist für sie zu einem wichtigen Vertriebskanal geworden. Sie profitieren von der Plattform und haben dort einen eigenen Kundenstamm aufgebaut. Der Münchener Prime Now-Apotheker Michael Grintz rät Kollegen nur zu einem Einstieg, wenn sie es ernsthaft angehen und bereit sind, sich anzupassen.

Vor-Ort-Apotheken haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber Versandapotheken. Sie haben die Produkte vorrätig oder schnell verfügbar und per Botendienst rasch beim Kunden. Auch bei Amazon ist die Schnelligkeit ein wichtiger Faktor – neben Preis und Qualität. Viele Inhaber tummeln sich seit Jahren auf dem Marktplatz. Unter den am besten bewerteten Apotheken sind bekannte Versandgrößen wie Medpex, Eurapon, Apo-Discounter oder Aponeo, aber auch kleinere Landapotheken. Der Münchener Apotheker Dr. Hermann Vogel jr. sah die Verkäufe bei Amazon kritisch und ging juristisch gegen einen Kollegen vor. Das Landgericht Magdeburg sah darin kein Problem: Demnach handelt es sich bei den Verkäufen um eine ganz normale Spielart des Versandhandels.

Aus dem Nähkästchen plaudern wollen die teilnehmenden Landapotheker nicht. Die Sorge: Beschimpfungen von Kollegen oder Ärger mit dem US-Konzern. Man habe mit öffentlichen Äußerungen zum Geschäft bei Amazon schlechte Erfahrungen gemacht, sagt ein Brancheninsider. Deshalb wird lieber im Hintergrund gearbeitet. Wichtigstes Ziel: Zufriedene Kunden.

Für die Amazon-Apotheker sind die Bewertungen besonders wichtig. Denn wer schlechte Kritiken hat, tut sich schwerer in der Neukundenakquise. Den Nutzern geht es nicht nur um den günstigsten Preis, auch der Service zählt. Es gebe eine ganze Reihe verschiedener Elemente, um in der Darstellung der Suchergebnisse weit oben zu erscheinen. „Wichtig ist, prompt zu arbeiten und die Preise müssen stimmen“, sagt ein Apotheker, der seit fast zehn Jahren über den Marktplatz verkauft.

Hauptgrund für seinen Einstieg war, sich breiter aufstellen zu können. „Wir wollten unsere Kosmetik zum Laufen bringen“, erinnert er sich. In einer durchschnittlichen Apotheke könne jedoch nicht ein breites Angebot an Marken rentabel angeboten werden. Ein Beispiel sei Roger & Gallet von L’Oréal. Die Marke laufe online deutlich besser und könne jetzt auch vor Ort im Sortiment bleiben. Das Angebot im Kosmetikbereich konnte deutlich ausgebaut werden.

Geht eine Bestellung über die Versandapotheke ein, könne das Team sehen, ob sie über Amazon generiert wurde. Sie werde taggleich konfektioniert und dem Lieferdienst übergeben. „In der Regel erhält der Kunde das Produkt am nächsten Tag.“ Mittlerweile sei ein Status erreicht, bei dem das Geschäft Spaß mache. „Wir haben Amazon benutzt und es hat funktioniert.“ Als „normale Apotheke“ könne man nicht mit großen Versendern wie DocMorris oder der Shop-Apotheke mithalten. „Deren Werbebudgets sind immens. Wir sind nicht in der Lage, das aufzubringen.“

Ein weiterer Grund für die Teilnahme bei Amazon sei, dass man nur eine Gebühr bezahle, wenn man tatsächlich etwas verkaufe. Die Kosten sind vertraglich vereinbart. 15 Prozent vom Bruttoumsatz verlangt der Konzern. Dementsprechend müssen die Verkaufspreise kalkuliert werden. Zusätzlich wird eine Monatsgebühr von rund 45 Euro fällig. „Der Gewinner ist letztlich immer Amazon. Wir geben viel zu viel ab“, sagt der Apotheker.

Apotheken, die schneller liefern, können sich für Prime qualifizieren. Um diesen Status anbieten zu dürfen, muss ein Lieferversprechen erfüllt sein: Bestellungen bis 13 Uhr müssen bis 15 Uhr versandfertig sein. Noch schneller geht es mit Prime Now, das Konzept wird bislang nur von Grintz gelebt. „Das Geschäft läuft gut, ich bin zufrieden. Die Zahlen sind betriebswirtschaftlich erfreulich“, sagt er. Konkreter will er nicht werden. Prime Now sei in der Testphase. „Weltweit nimmt bislang keine zweite Apotheke teil, klingt cool, oder?“

Grintz verkauft seit Anfang 2016 über Amazon. „Ich hatte Ware im Lager, die ich loswerden wollte“, erinnert er sich an seinen Beweggrund, sich beim Marktplatz zu registrieren. Seit Mai 2017 erfüllt er Prime Now-Bestellungen innerhalb weniger Stunden an Münchener Kunden. „Prime Now wird von einer eigenen Zielgruppe genutzt, die in der Regel die Klassiker aus der Sichtwahl bestellen wie Schmerz- und Grippemittel.“

In seiner Apotheke ist ein Mitarbeiter für die Prime Now-Aufträge zuständig. „Die Bestellungen kommen eine Stunde vor dem Zeitfenster an, an dem der Kunde die Ware haben will.“ Das sei genug Zeit, um die Pakete zu packen. Während bei Prime der Paketdienst dpd Exklusivpartner von Amazon ist, holen bei Prime Now Amazon-Lieferanten die Päckchen ab. Grintz bereut sein Engagement bei Amazon nicht. „Ich freue mich, wenn Prime Now funktioniert, weil ich ein Teil davon sein darf.“