Dermanostic muss Hautarzt-App anpassen Carolin Ciulli, 04.07.2024 15:40 Uhr
Digitale Hautchecks per Smartphone müssen bestimmte Richtlinien erfüllen. Das hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg mit Blick auf die seit Mai 2021 geltende europäische Medizinprodukte-Verordnung entschieden. Konkret ging es in dem Streit zwischen OnlineDoctor 24 und Dermanostic um die ausreichende Zertifizierung der App. Hintergrund war eine Ausschreibung der Techniker Krankenkasse (TK).
Dermanostic muss dem Urteil zufolge gewährleisten, dass eine „asynchrone Untersuchung von Hautveränderungen mittels Aufnahme, Speicherung, Anzeigen und Übermittlung von digitalem Bildmaterial von den betroffenen Hauptarealen, sowie die Beantwortung eines Anamnesebogens und der Kommunikation (Chat) mit Fachärzten“ nur angeboten wird, wenn die App als Medizinprodukt der Klasse lla, Ilb oder III nach Anhang VIII, Regel 11 Verordnung (EU) 2017/745 zertifiziert ist. Solange dies nicht der Fall ist, muss das Angebot vom Markt.
Das Düsseldorfer Unternehmen argumentierte in dem Rechtsstreit, dass bei einer reinen Datenübermittlungs- und Kommunikationslösung kein irgendwie geartetes Patientenrisiko entstehe, das es durch eine höhere Klassifizierung abzumildern gelte: „Für die Einordnung von Software in Klasse IIa sei nach dieser Regelung zumindest ein irgendwie gearteter eigener diagnoserelevanter Beitrag der Software erforderlich.“ Doch die Anamnese-Fragebögen von Dermanostic seien ausschließlich durch Fachpersonal entwickelt, sodass die App keinerlei eigenständige Entscheidungen treffe. Das Landgericht Hamburg gab Dermanostic in der Vorinstanz Recht und hob eine einstweilige Verfügung auf.
OnlineDoctor 24 legte Berufung ein und konterte, dass die von Dermanostic genutzte Software im Diagnoseprozess eingreife und etwa unterschiedliche Nachfragen – je nach Antworten der Patienten – liefere. „Sie setze zudem eine eigene Beurteilung des Krankheitsbildes durch den Patienten voraus, der initial die mögliche Erkrankung angeben müsse, denn Antwortmöglichkeiten bzw. Diagnosen, die dem Patienten durch die Software zur Auswahl gestellt würden, seien bspw. Akne, Rosazea, Schuppenflechte oder Muttermal.“
Berufung begründet
Das Hanseatische OLG bewertete die Berufung als begründet. Dem Urteil zufolge ist die App Dermanostic der Medizinprodukte-Verordnung nicht als Medizinprodukt der Klasse I zu qualifizieren. Die Anwendung sei einer „zu niedrigen Risikoklasse zugeordnet“.
OnlineDoctor 24-Geschäftsführer Dr. Tobias Wolf begrüßt das Urteil: „Wir haben uns im letzten Jahr entschieden, die Einstufung des Wettbewerbers als Medizinprodukt der Risikoklasse I anzufechten. Das Urteil gibt jetzt Klarheit und eine eindeutige Vorgabe für die asynchrone Teledermatologie. Uns als Team bestätigt das Urteil darin, den hohen Zeitaufwand und die Kosten in die Zertifizierung als Medizinprodukt der Risikoklasse IIa zu investieren.“ Nun sei ein finales Urteil gesprochen worden.
Dermanostic passte unterdessen die App an. Mit der vorherigen Zweckbestimmung sei die Anwendung weiter nutzbar, sagt Mitgründerin Dr. Alice Martin. „Wir sind nicht offline.“ Die Fragestellungen seien angepasst worden. Damit seien die Bedingungen erfüllt. Die App liefere keine interpretierenden Informationen und greife nicht in diagnostische oder therapeutische Entscheidungen der ärztlichen Fachkräfte ein.