Apotheken-Pick-up

Der „Vorteil24“-Trick Alexander Müller und Patrick Hollstein, 19.11.2010 17:15 Uhr

Berlin - 

Die Apothekenkooperation Linda ist mit „Vorteil24“ auf Roadshow. Auf den 20 regionalen Mitgliederversammlungen des Muttervereins MVDA können sich Apotheker derzeit aus erster Hand über das Modellprojekt informieren, unter anderem bei den Erfindern Dr. Andreas und Dr. Thomas Winterfeld. Viele Fragen dürften sich um die Rentabilität des Konzepts drehen. Dank Mehrwertsteuergefälle können Partnerapotheken mit der Vermittlung sogar mehr verdienen als über eine normale Belieferung. Formal holen die Apothekenkunden ihre Medikamente nämlich selbst in Holland ab.

In den Niederlanden gilt für Arzneimittel der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 6 Prozent, in Deutschland der volle Satz von 19 Prozent. Normalerweise schiebt das Steuerrecht Geschäften mit dieser Differenz einen Riegel vor: Macht ein Unternehmen mit Endverbrauchern jährlich mehr als 100.000 Euro Umsatz über EU-Grenzen hinweg, gilt der Steuersatz im Empfängerland. Daran halten sich den zuständigen Finanzbehörden zufolge alle großen niederländischen Versandapotheken, die hierzulande Geschäfte machen.

Bei Montanus greift diese Umsatzschwelle nicht, denn Montanus liefert nicht nach Deutschland. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von „Vorteil24“ heißt es wörtlich: „Gegenstand des Vertrages ist ausdrücklich nicht auch die Lieferung der vom Käufer bestellten Medikamente. Der Verkäufer stellt diese Medikamente vielmehr in seinen Geschäftsräumen zur Abholung für den Käufer bereit.“ Und: „Erfüllungsort ist der Geschäftssitz des Verkäufers (Holschuld).“ Das heißt: 6 Prozent für das niederländische Königshaus statt 19 Prozent für den deutschen Fiskus.

Damit der Steuervorteil aber nicht automatisch bei Kassen und Kunden ankommt, sondern als „Vorteil24“ unter den Protagonisten verteilt werden kann, haben die Winterfelds einige Vorkehrungen getroffen. Dreh- und Angelpunkt im Konstrukt ist ein ebenfalls niederländisches Unternehmen namens Sequalog, das sich sowohl um die Organisation und den Transport der Ware, als auch um die Abwicklung des Verkaufs kümmert.


Um direkt mit den Krankenkassen abrechnen zu dürfen und so den Kunden die Vorkasse zu ersparen, ist Montanus dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung beigetreten. Der sieht vor, dass sich die ausländische Apotheke an die deutschen Preisvorschriften hält. Die Preisvorteile und Gutscheine gewährt bei „Vorteil24“ daher nicht Montanus, sondern ausschließlich Sequalog.

Damit die Kunden nicht erst über die Grenze nach Dinxperlo fahren müssen, können sie Sequalog eine Vollmacht erteilen, für 50 Cent einen Kurierdienst einzuschalten. „In dem Fall erfolgt die Lieferung nicht unmittelbar an den Kunden, sondern an die den Kaufvertrag vermittelnde deutsche Apotheke“, heißt es dazu. Lieferant ist die Phoenix-Tochter Transmed.

Die Rezepte der Montanus Apotheke werden von den deutschen Partnerapotheken direkt an das Rechenzentrum geschickt, Privatrezepte sofort quittiert. Für Vermittlung und Abwicklung zahlt Sequalog eine Arzneimittelpreis-gestaffelte Provision - die ab einem bestimmten Wert über dem gesetzlichen Fixhonorar liegt. Auch bei dieser Vergütung ist Wolfgang Schäuble außen vor, denn die Steuerschuld geht auf den niederländischen Vertragspartner über. Die deutschen Partnerapotheken stellen ihre Rechnung ohne Umsatzsteuer.


Nun können sich die Kassen gemäß Rahmenvertrag über das Zustandekommen des Preises informieren. Damit also trotz Steuervorteil der deutsche Bruttopreis auf die Rezepte, Privatrezepte und Zuzahlungsquittungen gedruckt werden kann, müsste Montanus theoretisch einen höheren Einkaufspreis zugrunde legen. Über Sequalog?

Die Winterfelds wollten sich nicht zu den Details im Innenverhältnis von „Vorteil24“ äußern, sondern verweisen an Linda. Unklar ist daher auch, ob sich die Apotheker auf Ausnahmeregelungen des niederländischen Arzneimittel- und Arzneimittelpreisrechts beziehen. Immerhin werden in der Apotheke in Dinxperlo deutsche Arzneimittel abgegeben.

Das System sei geprüft und legal, so Winterfeld. Bislang hat die Apothekerfamilie aus dem Bergischen Land ihre Verfahren um „Vorteil24“ gewonnen, zuletzt vor dem Oberlandesgericht Köln. Allerdings ging es dabei vor allem um die Rx-Boni. Der Fall liegt jetzt beim Bundesgerichtshof (BGH).