Bei öffentlichen Diskussionen um die reichsten Personen Italiens fallen die Namen Silvio Berlusconi, Michele Ferrero oder Giorgio Armani. Stefano Pessina, Chef des Pharmahandelskonzerns Alliance Boots, hat es hingegen geschafft, im Hintergrund zu bleiben - trotz eines geschätzten Privatvermögens von 1,6 Milliarden Euro und einer konstanten Platzierung unter den Top-Ten der reichsten Italiener.
Pessina wird 1941 in Pescara an der italienischen Adriaküste geboren. Am Polytechnikum in Mailand studiert er Nukleartechnik, danach arbeitet er für die Unternehmensberatung AC Nielsen. 1973 steigt Pessina in das Unternehmen seines Vaters ein: eine Pharmagroßhandlung in Neapel.
Vier Jahre später gründet Pessina „Alleanza Farmaceutica“: Durch Fusionen mit Wettbewerbern in Süditalien macht er das Unternehmen zu einem der bedeutendsten italienischen Großhändler. Diese Vorgehensweise - erst Fusion, dann Übernahme - soll dauerhaft zu Pessinas Strategie werden. Im wirtschaftlich schwachen Süden der 1970er Jahre ist sie keine Seltenheit. „Manche waren sogar so verzweifelt, dass sie mir ihre Firma geschenkt haben“, erklärt Pessina rückblickend.
1986 integriert Pessina das Unternehmen „Di Pharma“ in seine Allianz. Der genuesische Großhändler war 1982 durch die Apothekerin Ornella Barra gegründet worden; in der erstmals landesweit aufgestellten Gruppe übernimmt Barra den Chefposten. Pessinas und Barras Wege sollen sich von da an nicht mehr trennen.
1991 fusioniert Pessina Alleanza Salute mit mehreren französischen Großhändlern zu Alliance Santé. Die 1990er Jahre stehen für das Unternehmen im Zeichen der europäischen Expansion: Während Gehe/Celesio in Westeuropa auf Einkaufstour ist und Phoenix in Osteuropa expandiert, übernimmt Pessina Großhändler in Portugal, Spanien, Griechenland und Marokko.
1997 kündigt Pessina in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ an, dass er der „König der Arzneimittel“ werden will. „Groß zu werden ist der einzige Weg, um zu überleben.“ Seine Pläne für einen paneuropäischen Handelskonzern haben zu diesem Zeitpunkt bereits Gestalt angenommen: Alliance Santé fusioniert mit dem britischen Großhändler und Kettenbetreiber Unichem. Als Großaktionär hält Pessina 30 Prozent.
Ende August 2005 lädt Pessina, in der Branche „Silberfuchs“ genannt, die beiden Chefs der britischen Drogerie- und Apothekenkette Boots zum Besuch ein - nicht an seinen Firmensitz am Boulevard d'Italie in Monaco, sondern auf seine Luxusyacht, die vor Sardinien geankert hat. Fünf Jahre hat Pessina für eine Fusion geworben, sechs Monate lang wurden geheime Vorgespräche geführt. Wenige Monate später steht der Deal: Nach dem Verkauf der OTC-Sparte Boots Healthcare International (Gaviscon, Dobendan) gehen die Drogeriekette und der Pharmahändler gleichberechtigt in das neue Gemeinschaftsunternehmen.
Acht Monate später, Pessina kontrolliert mittlerweile die Gremien des Konzerns, präsentiert der Firmenpatriarch im März 2007 in London neue Pläne: Zusammen mit dem US-Private-Equity-Konzern Kohlberg, Kravis, Roberts & Co. (KKR) will Pessina die Aktionäre auslösen und Alliance Boots von der Börse nehmen. Nach einigem Hin und Her stimmen Ende April die formal unabhängigen Vorstandsmitglieder dem Angebot zu. Im Juli 2007 zahlen Pessina und KKR 11,1 Milliarde Britische Pfund für das Unternehmen. Pessina steuert selbst 1 Milliarde Britische Pfund bei. Es ist der bis dahin größte fremdfinanzierte Zukauf in Europa.
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