Kommentar

Der falsche Prophet Patrick Hollstein, 06.12.2024 14:25 Uhr

dm-Chef Werner bringt seine Drogeriekette für Apothekenleistungen ins Spiel. Mal wieder. Foto: dm
Berlin - 

Hinter den Kulissen bringt sich dm für eine Liberalisierung des Apothekenmarktes in Stellung. Und im regelmäßigen Abstand greift Konzernchef Christoph Werner auch öffentlich die Apotheken an. Aber das passiert nur in geschützter Umgebung, mit sorgsam zurecht gelegten Worten und voller Kontrolle. Schon das zeigt, dass hier ein falscher Prophet unterwegs ist. Ein Kommentar von Patrick Hollstein.

„Wir sind ein erfolgreicher Handelskonzern, gehen ausschließlich in Premiumlagen und wollen im lukrativen Arzneimittelbereich endlich ein Stück vom Kuchen abhaben.“ So müsste der dm-Chef argumentieren, wenn er mit offenen Karten spielen würde. Stattdessen will sich Werner auf leisen Sohlen in den Apothekenmarkt schleichen. Denn er weiß, wie riskant ein solcher Vorstoß sein kann.

Den offenen Schlagabtausch vermeidet er daher, stattdessen sendet er aus geschütztem Raum seine Signale. In den Badischen Neuesten Nachrichten äußert er sich jetzt erstmals wieder zum Thema. Heimspiel sozusagen. Auch die Botschaft ist unverändert: Geschäft läuft, Gesundheit wächst, Apotheken sterben, dm steht bereit.

Zwangsläufig gewinnt man den Eindruck, dass Werner jede seiner Thesen sorgsam abgewogen und penibel vorformuliert hat: Nicht sein Konzern will den Markt aufbrechen – es ist der Markt, der zum Sanierungsfall geworden ist und für den es dringend eine neue Lösung braucht. Drugstores mit Apothekenschalter? „Angesicht dieser Herausforderung ein Vorbild fürs ganze Land, würde ich sagen.“

Eine verlässliche Gesundheitsversorgung werde zunehmend schwierig, mahnt Werner und warnt auch gleich vor Rettungsmaßnahmen: „Das Problem könnte man mit Geld zuschütten – letztlich würde dafür der Patient über seine Krankenkassenbeiträge oder der Steuerzahler über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt aufkommen.“

Man könnte es doch einfacher haben – nämlich „die Rahmenbedingungen ändern, damit neue Lösungen für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung der Menschen sich entwickeln“.

Dann lässt er durchblicken, wie er wirklich zum Thema Arzneimittelversorgung steht.

Pharmazie ist für ihn reine Makulatur: „Das Rezept des Patienten ist heutzutage eigentlich keine Rezeptur-Anweisung mehr, sondern ein Abholschein ...“

Und Beratung ist ersetzbar: „Künftig wird sich die elektronische Patientenakte und das E-Rezept durchsetzen. Beides schafft zusätzliche Sicherheit zum Zeitpunkt der Verschreibung. All das verändert den Markt.“

Und dann mimt er noch den fairen Wettbewerber: „Ich würde uns zutrauen, dass wir auch bei einem solchen Thema mit guten Ideen aufwarten könnten. Es würde aber sicherlich auch andere mit guten Ideen geben. Inklusive vieler Apotheker, die ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln würden.“

Dass die Apotheke überflüssig ist, sagt er nicht offen. Sondern: „Ich muss da immer an Bill Gates denken, der in Bezug auf Banken gesagt hat: ‚Bankdienstleistungen sind notwendig, Bankfilialen sind es nicht.‘“ Andererseits: Sein Geschäftsmodell ist doch der Betrieb von Filialen. Apotheken dagegen sichern Versorgung.

Schon Werners Vater fabulierte von sozialer Gerechtigkeit, während er mit seinem knallharten Geschäftsmodell zahlreiche Existenzen vernichtete. Ohne die unternehmerische Leistung in Abrede stellen zu wollen: Was die Versorgung angeht, ist Werner ein falscher Prophet. Und dm als Lösung ein falsches Versprechen.