Der Dividenden-Poker der Apobank Alexander Müller, 29.06.2020 10:00 Uhr
Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank) steckt in der Krise. Die Probleme nach der kostspieligen IT-Umstellung an Pfingsten sind noch immer nicht vollends behoben, ein Vorstand ist weg und der Großhändler Phoenix will gegenüber der Bank entgangenes Skonto einfordern. Dass man in Düsseldorf trotzdem eine Dividende ausschütten will, sorgt nicht nur für Kopfschütteln bei anderen Banken, sondern könnte der Genossenschaftsbank auch neuen Ärger einhandeln.
Die Europäische Zentralbank (EZB) veröffentlichte am 27. März die Empfehlung, dass Banken während der Covid-19-Pandemie keine Dividenden ausschütten oder Aktien zurückkaufen sollen. Die Empfehlung bezog sich auf Dividenden für 2019 und 2020 und gilt mindestens bis 1. Oktober.
Die deutsche Bankenaufsicht (BaFin) erläuterte zur selben Zeit die veränderten aufsichtsrechtlichen Anforderungen in der Corona-Krise. In der Mitteilung heißt es unter anderem: „Die Finanzaufsicht hat eine Vielzahl von Maßnahmen erlassen, mit deren Hilfe Spielräume zur Kreditvergabe und gegebenenfalls Verlustabsorption erhöht werden. Vor diesem Hintergrund und angesichts einer hohen Ungewissheit über die weiteren Entwicklungen empfiehlt die BaFin, von Aktienrückkäufen Abstand zu nehmen sowie Ausschüttungen von Dividenden, Gewinnen und Boni sorgfältig abzuwägen.“ BaFin-Präsident Felix Hufeld mahnte: „Wir raten Finanzinstituten, mit vorhandenen Kapitalressourcen sehr sorgfältig umzugehen.“
Und die Apobank? Am 6. Mai – also mitten in der Corona-Krise – beschloss die Vertreterversammlung eine Absenkung der Dividende. Statt wie in den vergangenen Jahren üblich 4 Prozent, sollen nur 2 Prozent an die Anteilseigner ausgeschüttet werden. Man habe sich im Vorfeld intensiv mit der Empfehlung der EZB auseinandergesetzt, hieß es aus Düsseldorf. „Der Vorstand hat diese Empfehlung mit den Gremien der Bank als auch der Bankenaufsicht und dem Wirtschaftsprüfer intensiv erörtert.“ Die Dividende soll frühestens zum 1. Oktober ausgeschüttet werden, „es sei denn, die Auszahlung ist zu diesem Zeitpunkt aus Sicht des Vorstands wirtschaftlich oder aus sonstigen Gründen (z. B. aufsichtsrechtliche Vorgaben) nicht vertretbar oder zulässig“.
An diesem Plan hat sich auch nach der missglückten IT-Umstellung nichts geändert. Dabei sind die Kosten für die Migration deutlich aus dem Ruder gelaufen und summieren sich laut Apobank auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Dabei sind mögliche Folgeschäden wie die Forderungen der Phoenix noch nicht inbegriffen.
Könnte das die Bankenaufsicht auf den Plan rufen? Ein BaFin-Vertreter soll bei einem Jahresgespräch einer Bankengruppe unmissverständlich klargemacht haben, dass Geldhäuser die besondere „Fürsorge“ der Aufsicht erfahren werden, wenn sie für 2019 Dividenden ausschütten sollten. Mit anderen Worten: Wer die EZB-Empfehlung nicht beachtet, darf mit einer Sonderprüfung rechnen.
Ein Sprecher der Behörde wollte dies auf Nachfrage nicht bestätigen. „Es handelt sich um eine Empfehlung“, sagte er mit Blick auf die Ansage der EZB. Ob und in welcher Höhe Dividenden gezahlt würden, sei grundsätzlich eine geschäftspolitische Entscheidung des jeweiligen Instituts. Zu einzelnen Banken äußert sich die Aufsichtsbehörde grundsätzlich nicht. Allgemein erfolgten Sonderprüfungen von Banken „stets risikoorientiert, so dass die Prüfungsquote mit höherer Auswirkung beziehungsweise geringerer Qualität tendenziell ansteigt“, so der BaFin-Sprecher.
Ob sich die holprige IT-Umstellung der Apobank auf diese Prüfquote auswirkt, ist nicht bekannt. Auch dazu äußert sich die Behörde nicht. Unbemerkt geblieben ist das Chaos in Düsseldorf bei der Bonner Behörde aber sicher nicht, schon weil sich entnervte Apotheker nach eigenen Angaben direkt an die Aufsicht gewandt haben.
Und dass die Dividendenausschüttungen unter verschärfter Beobachtung stehen, lässt sich dem Statement der Bundesbank entnehmen. Ein Sprecher erklärte auf Nachfrage: „Die von der EZB veröffentlichte und von der deutschen Aufsicht unterstützte Empfehlung zur Dividendenausschüttung wurde von den signifikanten Instituten sowie auch den LSIs [Less Significant Institutions, Anm. d. Red.] weitgehend beachtet. Ziel dieser Maßnahme ist die Kapitalerhaltung bei Kreditinstituten, damit sie in der Lage sind, die Wirtschaft auch in einem Umfeld erhöhter Unsicherheit aufgrund der Corona-Pandemie zu unterstützen. Der Einsatz von Kapitalressourcen zur Unterstützung der Realwirtschaft und zur Verlustabsorption sollte Vorrang vor der Ausschüttung diskretionärer Dividenden und vor Aktienrückkäufen haben. Die Aufsicht bewertet im Rahmen der jährlichen Gesamtbeurteilung (SREP) für jedes Institut auch die Angemessenheit der Kapitalausstattung.“
SREP steht für „Supervisory Review and Evaluation Process“ und fasst die Risiken einer Bank zusammen. Der individuelle SREP-Zuschlag jeder Bank ist ein Kernelement der Bankenaufsicht. Werden etwa organisatorische Mängel bei der Revision festgestellt oder eine Ausschüttung als nicht gerechtfertigt bewertet, hat das unmittelbare wirtschaftliche Folgen für die Bank. Denn ein höherer SREP-Zuschlag macht sich bei der Eigenkapitalanforderung bemerkbar. Vereinfacht gesagt: Hat die Bank höhere Risiken, muss sie mehr Geld auf die hohe Kante legen. Das fehlt dann natürlich zum Beispiel im Kreditgeschäft und drückt das Ergebnis.
Ob die Apobank wegen der geplanten Ausschüttung sowie der IT-Umstellung negative Konsequenzen zu erwarten hat, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Die Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörden dürfte den Düsseldorfern jedenfalls gewiss sein.