Porträt

Der Apothekenmarkt als Strategiespiel

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Celesio - das ist Fritz Oesterle. Bis jetzt. Zwölf Jahre lang stand der promovierte Jurist an der Spitze des Stuttgarter Pharmahändlers, der unter seiner Führung zum europäischen Branchenprimus aufstieg - und dann doch von jenen Mitbewerbern überholt wurde, die jahrelang im Windschatten gefahren waren. Oesterle und Celesio, das waren Apothekenketten, EuGH und zuletzt das Joint Venture mit Medco. Jetzt geht der Konzernchef, der manchmal mehr Stratege als Betriebswirt, mehr Lobbyist als Unternehmenslenker war.

Oesterle wird 1952 in Stuttgart geboren und studiert Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen. 1976 legt er sein Staatsexamen ab, 1979 promoviert er, 1981 wird er als Anwalt zugelassen. Alles mit Auszeichnung. Dann arbeitet er als Partner bei der Stuttgarter Kanzlei „Gleiss Lutz Hootz Hirsch & Partner“, aus der er 1988 im Streit ausscheidet. Im selben Jahr steigt als Partner Dr. Bernd Scheifele ein. Ebenfalls Jurist, wird Scheifele später für Adolf Merckle den Pharmagroßhändler Phoenix aufbauen und als dessen Vorstandschef Oesterles Kontrahent werden.

Mit einem Partner gründet Oesterle 1989 die Kanzlei Oppenländer, die 20 Jahre später die saarländische Apothekerin Helga Neumann-Seiwert vor dem EuGH gegen die Celesio-Tochter DocMorris vertreten wird. Als Anwalt vertritt Oesterle in den 1990er Jahren neben verschiedenen Apothekern, die keine Lust auf diverse apothekenrechtliche Vorschriften haben, den Stuttgarter Pharmagroßhändler Gehe.

Der erkennt das strategische und juristische Talent des Advokaten, schickt Oesterle 1998 auf die Havard Business School und macht ihn schließlich zum Vorstandschef. Gehe hat gerade begonnen, im Ausland zuzukaufen, und Oesterle soll den Großhändler zum internationalen Konzern machen. So wird Gehe 2002 zu Celesio.


Die Geschäfte laufen gut, jahrelang kann Oesterle nicht nur immer neue Rekordzahlen melden, sondern auch kräftig Geld ausgeben. Gekauft wird vor allem in Westeuropa; als Chef eines börsennotierten Unternehmens fehlen Oesterle die Freiheiten, die Scheifele hat. Doch das Apothekenrecht - seit seiner Selbstständigkeit Oesterles Spezialthema - setzt der Expansion als Kettenkonzern Grenzen. Und so beschwert sich Celesio im Sommer 2004 bei der EU-Kommission über das italienische Fremdbesitzverbot für Apotheken.

Dem Konzernchef ist klar, dass er etwas ändern muss - und so beginnt die Zeit des Strippenziehens. Oesterle macht den ehemaligen Staatssekretär im baden-württembergischen Staatsministerium und Direktor für Politik und Außenbeziehungen von Daimler, Matthias Kleinert, zum Cheflobbyisten. Ab 2004 geben sich Politiker bei Celesio die Klinke in die Hand. Auch als Britischer Honorarkonsul knüpft Oesterle ab 2006 Kontakte.

Ende April 2007 platzt die Bombe. Bei der Hauptversammlung in Stuttgart verkündet Oesterle den überraschten Aktionären, dass er DocMorris gekauft hat. Doch allerspätestens seitdem das EuGH-Verfahren um die Saarbrücker DocMorris-Apotheke läuft, ist die niederländische Versandapotheke der ärgste Feind der deutschen Apotheker. Während die Presse jubelt und die Investoren kaufen, kündigen die Kunden. Oesterle ist entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen, und macht alles noch schlimmer.

Die Wirtschaftspresse liebt den smarten Konzernchef, der sich mit den vermeintlich mächtigen Apothekern - man könnte auch sagen: seinen Kunden - anlegt. Wann immer es um den Apothekenmarkt geht (und um den geht es oft in jenen Tagen), bekommt Oesterle Raum. Er lehnt sich weit aus dem Fenster und lässt keine Gelegenheit aus, um das bestehende System schlecht zu reden und Reformbedarf zu suggerieren. Es funktioniert: Er ist der Neugestalter, der Revolutionär, der Draufgänger, der Rennwagenfahrer und sogar der kettensägende Hobby-Förster. Bis zum 19. Mai 2009.


Als der EuGH zum Fremdbesitzverbot für Apotheken entscheidet, wird es für Oesterle schwer. Der Jurist kann sich zu jenem Zeitpunkt schließlich beide Verfahren auf die Fahne schreiben und hat alles auf eine Karte gesetzt. „Nicht verloren, nur nicht gewonnen“, Oesterle spricht von „großer Klarheit“ und „Planungssicherheit“. Aber wovon soll er auch sonst sprechen. Als DocMorris-Chef Ralf Däinghaus geht, rechnet so mancher auch mit Oesterles Abgang.

Doch Oesterle bleibt. Trotz roter Zahlen und Abschreibungen, die er ausgerechnet bei seinen Apotheken vornehmen muss. Ein Jahr später zeichnet sich sogar ein Plan B ab: Nicht allzu kreativ, dafür aber flexibel will Oesterle das amerikanische Modell adaptieren. Oesterle macht die Not zur Tugend: Statt über eigene Filialen soll sich Celesio als Schnitt- und Kommandostelle zwischen Krankenkassen und Apotheken positionieren. Celesio als Lieferant und Abnehmer, die Apotheken dazwischen. Mit Medco findet sich ein starker Partner, mit der FDP ein passender Ansprechpartner in der Politik. Nur Oesterle wird nicht mehr dabei sein. Haniel sucht einen neuen Konzernlenker - mit weniger Charakter und weniger Risiko.

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