Amazon ist eben keine Apotheke. Auf diese Formel lässt sich das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau verkürzen. Zwei Apotheker streiten über den Verkauf apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Handelsplattform. Laut den jetzt vorliegenden Urteilsgründen ist dieser Vertriebsweg unzulässig, sofern der Kunde nicht ausdrücklich eingewilligt hat, dass der Konzern seine sensiblen Daten erhält.
Apotheker Michael Spiegel (Linden-Apotheke in Gräfenhainichen) hatte mit dem Verkäuferprofil „Aposparer“ unter anderem apothekenpflichtige Medikamente über Amazon angeboten. Die Bestelldaten der Kunden wurden von Amazon an die Apotheke weitergeleitet. Kollege Hermann Vogel jr. (Winthir-Apotheke in München) hatte darin einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gesehen und Spiegel zunächst abgemahnt und dann im Juli 2017 verklagt.
Das Landgericht gab Vogel in erster Instanz recht: „Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte durch den Beklagten über die Internethandelsplattform Amazon verletzt datenschutzrechtliche Vorschriften des und damit zugleich berufsrechtliche Vorschriften“, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Apotheker unterliegen qua Beruf der Geheimhaltung. Wegen dieser auch im BDSG geregelten Pflicht sind sie andererseits berechtigt, ohne gesonderte Einwilligung sensitive Daten der Kunden zu erheben und zu verarbeiten. Dies gilt laut Urteil aber nicht, wenn der Kunde seine Daten „beim Bestell- und Auswahlvorgang bei Amazon angeben muss“. Denn der Handelskonzern unterliege nicht den besonderen Geheimhaltungsregelungen nach dem BDSG.
Spiegels Anwalt hatte noch argumentiert, dass es sich bei Informationen zum Kauf apothekenpflichtiger Medikamente nicht um besondere personenbezogene Daten handele. Doch die Richter sahen das anders. Angaben über einzelne Krankheiten, Abläufe oder Inhalte der medizinischen Behandlung seien immer Daten über die Gesundheit. Dabei genügten auch indirekte Kategorien – in diesem Fall der Rückschluss eines bestellten Arzneimittels auf die Indikation. Auf die Korrektheit der Schlüsse, die die Informationen nahelegen, kommt es laut Urteil nicht an.
Aus Sicht der Richter verletzt Spiegel die für den Umgang mit solchen sensitiven Daten bestehenden Vorschriften mit dem Verkauf über Amazon. Denn die Erhebung der Daten wäre nur mit vorheriger Einwilligung der Kunden zulässig. Spiegel selbst verlangte so eine Einwilligung jedoch nicht und erhielt auch keine über Amazon.
Ohne Einwilligung dürfen solche sensiblen Daten nur ausnahmsweise erhoben werden. In diesem Fall sei aber weder eine „lebenswichtige Situation“ anzunehmen, noch hätten die Kunden – anders als von Spiegels Seite behauptet – selbst „offenkundig öffentlich gemacht“, nur weil sie ein Konto bei Amazon eingerichtet hatten, so die Richter. Dass Spiegel den Vertrieb über die Plattform zwischenzeitlich eingestellt hat, rettete ihn nicht, wegen der Wiederholungsgefahr kassierte er das Urteil.
Gestritten wurde vor Gericht auch um die Frage, ob es sich bei den Bestimmungen des Datenschutzes überhaupt um marktregulierende Vorschriften im Sinne des Wettbewerbsrechts handelt. Anderenfalls hätte Vogel gar keinen Anspruch auf Unterlassung. Die Richter haben sich hierzu eindeutig positioniert: „Wenn Daten als wirtschaftliches Gut wie eine Ware gespeichert bzw. verwendet werden sollen, ist eine Marktrelevanz gegeben und eine Anwendung des Lauterkeitsrechts geboten.“
Gerade durch die Einschaltung der Plattform Amazon für den Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel würden die Daten als wirtschaftliches Gut verwendet. „Es handelt sich um eine kommerzielle Datenverwendung“, heißt es weiter.
Ein Bezug zum Wettbewerbsrecht lässt sich laut Urteil zusätzlich über das Apothekengesetz (ApoG) und die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) herleiten. Demnach dürfen Arzneimittel nur von fachkundigen und zuverlässigen Personen abgegeben werden. Apotheker müssen unter anderem die Vertraulichkeit des Gesprächs sicherstellen. „Die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften berührt diese berufsrechtlichen Verpflichtungen“, heißt es im Urteil. Spiegel kann gegen die Entscheidung in Berufung gehen.
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