Deal oder Prozess: AvP-Verfahren am Scheideweg Alexander Müller, 26.02.2021 07:42 Uhr
Das Insolvenzverfahren zu AvP befindet sich am Scheideweg: Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos spricht aktuell mit Apothekervertretern über eine außergerichtliche Einigung zu den Aussonderungsrechten. Alternativ werden erste Musterklagen diskutiert. Wegen der vielen Unwägbarkeiten ließen sich nach wie vor keine belastbaren Aussagen zu einer möglichen Quote machen, stellte Hoos gegenüber APOTHEKE ADHOC klar.
Am Mittwoch hatte Hoos erneut gegenüber dem Finanzausschuss des Bundestags Bericht über den aktuellen Stand erstattet. Demnach belaufen sich die angemeldeten Forderungen auf insgesamt 626 Millionen Euro. Davon entfallen 345 Millionen Euro auf die Offizin-Apotheken, 226 Millionen Euro auf Krankenhausapotheken und 55 Millionen Euro auf die sonstigen Gläubiger. Bei Letzteren handelt es sich laut Hoos vor allem um die Kostenträger. Die Krankenkassen machen – offenbar noch recht unsubstantiiert – unter anderem Forderungen wegen vermeintlicher Überzahlung in der Vergangenheit geltend. Inwiefern diese und alle anderen angemeldeten Forderungen aus Sicht des Insolvenzverwalters auch berechtigt sind, geht aus der Aufstellung nicht hervor.
Hoos hatte bereits deutlich gemacht, dass er für den Großteil der Forderungen keine Aussonderungsrechte für die Apotheker sieht. Anfang des Jahres hatte er als Ausnahme davon etwa 300 Offizin- und 150 Krankenhausapotheken informiert, dass er die Aussonderungsrechte an noch nicht eingezogenen Rezeptforderungen anerkannt. Die Kassen wurden entsprechend informiert. Der Großteil der offenen Millionenbeträge ist davon allerdings nicht erfasst.
So gut wie alle betroffenen Apotheker:innen haben aber bei der Anmeldung zur Insolvenztabelle Aussonderungsrechte geltend gemacht. Ihr Argument: Die Ansprüche ließen sich anhand der eingereichten Rezepte leicht zuordnen. Allerdings zielen Aussonderungsrechte im Insolvenzrecht Hoos zufolge vor allem auf materielle Güter – ein Leasingfahrzeug ist ein anschauliches Beispiel für solch klare Eigentumsverhältnisse. Bei monetären Forderungen wie in diesem Fall ist das komplexer, vor allem angesichts von Sammelrechnungen und einer teilweise verworrenen Vertragslage zwischen den Beteiligten.
Salopp formuliert: Auf einem Geldschein in der Insolvenzmasse steht nicht der Name einer bestimmten Apotheke, oder vielleicht nicht nur ihr Name. Es könnte also theoretisch sein, dass das vorgefundene Vermögen der AvP nicht einmal ausreicht, um alle Aussonderungsrechte zu bedienen, so sie zugestanden werden. Eine Quotierung ist bei Aussonderungsrechten wiederum grundsätzlich nicht vorgesehen. Da Hoos diese Rechte aber ohnehin größtenteils nicht anerkennt, müssten die Apotheken dies gerichtlich durchsetzen.
Eine Alternative wäre der außergerichtliche Vergleich. Das ist allerdings ein ambitioniertes Vorhaben, da ein Großteil der betroffenen Apotheken zustimmen und dabei sehr wahrscheinlich auf ihre Aussonderungsrechte verzichten müsste. Auch Hoos rechnet damit, dass es demnächst eher zu Musterprozessen zu den Aussonderungsrechten kommen wird. Auch dieser Weg würde letztlich Klarheit bringen – allerdings deutlich später.
Vor diesem Hintergrund kann Hoos noch immer keine konkreten Angaben zur möglichen Höhe einer Quote machen. „Dazu gibt es zu viele Unwägbarkeiten.“ Das habe er auch im Finanzausschuss erneut so erklärt. Offenbar sei er von einem Abgeordneten mit seiner Formulierung, die Quote könne bei 40 oder bei 70 Prozent liegen dahingehend falsch verstanden worden, der endgültige Wert liege tatsächlich zwischen diesen beiden Zahlen. Mit anderen Worten: Die Quote kann auch unter 40 oder über 70 Prozent liegen. Zumindest der untere Grenzwert dürfte aber nach allem bisher Bekannten gehalten werden. Hoos äußert sich dazu auf Nachfrage nicht, sein „signifikant“ bleibt vorerst die einzige Angabe zur Quote. Für die Apotheken sagt der Wert sowieso weniger aus: Eine geringe Quote könnte ja auch bedeuten, dass sie ihre Aussonderungsrechte doch erfolgreich geltend machen konnten.