Eine Marke, die äußerst bekannt ist, aber schwer beschädigt; ein Unternehmen, das insolvent gegangen ist und nun mit komplett neuer Mannschaft neu aufläuft; ein Produkt, das großes Potenzial hat, aber erst einmal nicht verkauft werden darf: DrSlym ist kein normales Start-up. Vor gut vier Jahren mischte es den Diätmittelmarkt auf, doch dem kometenhaften Aufstieg folgte ein jäher Fall – Firmengründer Julian Klym hatte den Erfolg mit dubiosen Mitteln erkauft. Als sein Kartenhaus 2018 zusammenfiel, verschwand die apothekenexklusive Marke. Ein Investor bringt das Produkt nun zurück. Ab Oktober können Apotheken es bei der Sanacorp bestellen.
Alfons Viehbacher hat ein schweres Erbe angetreten, als er DrSlym im April 2018 übernahm. Die Marke war da deutschlandweit bekannt, denn sie hatte es innerhalb kürzester Zeit geschafft, Platzhirschen wie Almased oder Yokebe die Stirn zu bieten. Rein auf die als revolutionär angepriesene Formel war der Hype aber nicht zurückzuführen: Nachdem DrSlym nach seiner Gründung 2014 langsam startete, landete Gründer Julian Klym einen Coup. Er zog einen lukrativen Werbevertrag mit der ProSiebenSat.1-Tochter Seven Ventures an Land, der den Absatz in die Höhe katapultierte. Der Umsatz sprang von rund 100.000 Euro auf 1,5 Millionen. Doch ein Konkurrent machte Klym und Slym einen Strich durch die Rechnung: Lück Health warf ihnen vor, ein Plagiat des eigenen Produkts zu sein, und begann einen Patenstreit, vorerst erfolgreich.
Im Juni 2016 erwirkte Lück Health eine einstweilige Verfügung. DrSlym verschwand aus den Apotheken und kam im September 2016 mit leicht veränderter Rezeptur zurück, konnte jedoch nicht mehr zu alter Größe zurückkehren. Der Umsatz kam über 320.000 Euro nicht mehr hinaus. Im Folgejahr war es dann vorbei: Am 1. Oktober 2017 begann das Insolvenzverfahren und ließ vor allem Klym schlecht dastehen. Es stellte sich heraus, dass er sein kleines Imperium auf Sand gebaut hatte.
Denn er saß auf 7 Millionen Euro Schulden, denen keinerlei liquide Mittel mehr gegenüberstanden – fast 4,5 Millionen davon kamen allein durch die TV-Werbung zustande, die er nie bezahlt hatte. Der Insolvenzverwalter stellte Klym ein vernichtendes Zeugnis aus, die Vorwürfe grenzten an Insolvenzverschleppung. Obwohl ihm schon lange hätte klar sein müssen, dass er das Unternehmen an die Wand gefahren hat, machte er nicht nur weiter, sondern befriedigte einzelne Gläubiger auch bevorzugt, stand im Insolvenzgutachten.
Das hinterlässt Spuren, vor allem bei potenziellen Geschäftspartnern. Die Assets von DrSlym konnten trotzdem aus der Insolvenzmasse verkauft werden, nämlich an eine Firma namens Leluna, hinter der Klyms eigene Mutter Gerlinde Otter stand. Doch die hatte finanzstarke Unterstützung im Rücken: Dr. Alfons Viehbacher, seines Zeichens Immobilienunternehmer und Start-up-Investor, hatte ein Auge auf das Schlankheitsmittel geworfen. Die Marke ist überaus bekannt, das Produkt selbst hat Potenzial – also schlug er zu und wettete darauf, dass sich die restlichen Probleme schon werden lösen lassen. Die Wette könnte er gewinnen.
Denn es dauerte zwar einige Zeit, aber DrSlym ist jetzt wieder in der Spur, wenn auch bescheidener als zuvor. Der Rechtsstreit mit Lück Health ist durchgestanden, im September 2018 hob das Oberlandesgericht München die einstweilige Verfügung auf, der Patentstreit ging parallel dazu aber bis zum Europäischen Patentgericht. Das wies die Klage im August 2019 ab. Bis Ende 2018 war auch Klym selbst noch mit an Bord, alter und neuer Chef trennten sich jedoch, weil sie sich über den Kurs des Unternehmens nicht einig wurden. Von Klyms elfköpfiger Besetzung ist heute niemand mehr dabei.
Dafür stiegen sechs neue Mitarbeiter ein, darunter Gunnar Müller. Der 48-Jährige leitet seit Februar 2019 das operative Geschäft von Personal über Verträge bis Logistik und muss nun versuchen, aus einem gebrannten Kind wieder einen Goldjungen zu machen. Denn wie Viehbacher sieht auch er das Potenzial der Marke und des Produkts. „DrSlym hatte laut Nielsen im Markt eine Bekanntheitsdurchdringung von 27 Prozent“, sagt Müller. „Wir starten also nicht bei Null wie andere Start-ups, sondern haben eine Grundbekanntheit und sogar treue Follower. Alle Partner haben uns gesagt, dass das Produkt ein riesiges Potenzial hat, es aber schade ist, wie das damals gelaufen ist.“
Denn die Pleite hatte einige Scherben hinterlassen, die Müller, Viehbacher und ihr Team erst einmal beseitigen mussten. „Vor allem am Anfang war es nicht leicht. Wenn man irgendwo angerufen hat und sich als DrSlym meldete, wurde manchmal direkt wieder aufgelegt.“ Doch mit Geduld und einer neuen Geschäftskultur habe sich die Firma wieder herangetastet. „Wir gehen mit einem ganz anderen Dreisatz an DrSlym heran als es Herr Klym damals gemacht hat. Er hatte seine Herangehensweise, die amtlich nicht funktioniert hat, wir haben unsere eigene. Es ging darum, alles neu zu strukturieren, auch die Beziehungen zu den bisherigen Geschäftspartnern zu reparieren und neu aufzubauen. Durch persönliche Gespräche und Verbindlichkeit konnten wir sie davon überzeugen.“
Zum neuen Geschäftsgebaren gehört auch, es jetzt etwas langsamer anzugehen. „Es ist eine beschädigte Marke und der Vertriebsmarkt ist nicht sehr groß. Deshalb haben wir entschieden, den Vertrieb kleiner zu machen und uns in jedem Segment jeweils nur einen zentralen Player herauszusuchen.“ Zumindest im stationären Handel soll DrSlym – wie damals – vorerst apothekenexklusiv bleiben. Der Vertrag mit Sanacorp sei schon unter Dach und Fach. „Wir haben immer noch eine Markenbekanntheit, vor allem in Apotheken. Wir brauchen aber auch eine Vertrauensbasis und hoffen dahingehend, dass unsere Zusammenarbeit mit Sanacorp dazu beiträgt.“ Ab Oktober soll DrSlym dort für die Apotheken erhältlich sein und zum Jahresende will das Unternehmen dann in die Offensive gehen. „Ab Dezember planen wir starkes Marketing mit attraktiven Angeboten für die Sanacorp- und Mea-Apotheken. Dann wollen wir mit den großen Marken an vorderster Front mitspielen.“
Online ist DrSlym darüber hinaus bei der Versandapotheke Volksversand, der Plattform Vitafy, bei Amazon und mit einem eigenen Shop vertreten. Neben dem Vertrauen ins Produkt – vor allem die flüssige Darreichungsform, das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Geschmacksrichtungen – soll auch ein Wandel im Portfolio bei der Neuaufstellung helfen. „Wir bauen DrSlym nun als Dachmarke auf, bei der es nicht mehr nur ums Abnehmen geht, sondern auch ums Wohlbefinden“, sagt Müller. Neben dem klassischen Konzentrat sind deshalb nun unter anderem auch Collagen Liquid Shots und Glucomannan-Kapseln im Sortiment. Mit dem neuen Ansatz versucht das neue Team nun die alte Marke wieder aufzubauen – aber diesmal gemächlich, wie Müller betont: „Fernsehwerbung ist momentan noch kein Thema für uns. Wir kennen noch die alten Zahlen von ProSiebenSat.1.“
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