Das sind die deutschen Cannabis-Produzenten Tobias Lau, 17.04.2019 17:49 Uhr
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat mit fast einem Jahr Verspätung seine Ausschreibung für die Produktion von medizinischem Cannabis abgeschlossen. Neun der 13 ausgeschriebenen Lose gehen an die Deutschland-Töchter der beiden kanadischen Firmen Aphria und Aurora, über die restlichen vier wird noch gestritten. Mittendrin: Ein Start-up aus Berlin.
Insgesamt 10,4 Tonnen über einen Zeitraum von vier Jahren hatte das BfArM ausgeschrieben, verteilt auf 13 Lose zu je 200 Kilogramm Jahresmenge. „Damit kann jetzt der Anbau von Cannabis in pharmazeutischer Qualität in Deutschland unter den betäubungs- und arzneimittelrechtlichen Vorgaben umgesetzt werden“, kündigt das das BfArM an. Auf vollen Touren kann der Grasanbau allerdings noch nicht laufen. Denn um vier Lose wird noch gestritten, nachdem sich ein unterlegener Bieter mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer gewandt hat. Da noch nicht feststehe, wann diese vier Zuschläge erteilt werden können, sind somit erst 7200 Kilogramm unter Dach und Fach. Die erste Ernte erwartet das BfArM für das vierte Quartal 2020 – ein Jahr nach dem eigentlich beabsichtigten Termin.
„Gleichwohl bedauern wir, dass nun abermals wirtschaftliche Interessen eines Bieters dazu führen, dass wir nicht schon früher im vollen Umfang zur Verbesserung der Versorgungssituation beitragen können“, klagt BfArM-Präsident Professor Dr. Karl Broich. Da es sich dabei um ein laufendes Verfahren handelt, darf das BfArM aus vergaberechtlichen Gründen keine weiteren Auskünfte über die Inhalte des Nachprüfungsantrages geben. Das Handelsblatt hatte jedoch vor wenigen Tagen berichtet, dass es sich beim dritten Unternehmen, das einen Zuschlag erhalten hat, um das Berliner Start-up Demecan handele. Demecan habe das dem Handelsblatt gegenüber bestätigt, allerdings ist bei beiden nur die Rede von drei Losen für die Berliner.
Als großen Gewinner der Ausschreibung sieht sich Aurora. Für elf der 13 Lose habe das Unternehmen das beste Konzept eingereicht, rühmt es sich. Allerdings darf ein Unternehmen aufgrund der Ausschreibungsvorgaben maximal fünf Lose erhalten – die sind allesamt an Aurora gegangen. „Bei unserem Konzept stand die Sicherung der Qualität aus der pharmazeutischen Herstellungspraxis im Mittelpunkt“, erklärt Aurora-Deutschlandgeschäftsführer Dr. Axel Gille. „Es gelang uns Kompetenzen in einem interdisziplinären Team aus Architekten, Ingenieuren, Pharmazeuten, Pflanzen- und Anbauspezialisten sowie Projektmanagementprofis zu bündeln und somit das BfArM zu überzeugen.“
Für die Produktion soll auf einem fast 10.000 Quadratmeter großen Areal des Biochemieparks Leuna in Sachsen-Anhalt eine eigene Produktionsanlage entstehen. Der Spatenstich ist für Mai geplant, ab da soll der Bau ungefähr ein Jahr in Anspruch nehmen. Insgesamt werde das Unternehmen mit diesem Projekt einen zweistelligen Millionenbetrag am Standort investieren und etwa 50 Arbeitsplätze schaffen. Das erste Aurora-Cannabis soll den Patienten bereits Oktober 2020 zur Verfügung stehen. Der Bau der Anlage sei „der nächste logische Schritt im Ausbau unsere europaweiten Produktionsnetzwerkes.“ Mit einer Produktionskapazität von mehr als 500.000 Kilogramm pro Jahr und einem Vertriebsnetz in 24 Ländern auf fünf Kontinenten ist Aurora nach eigenen Angaben einer der weltweit größten lizenzierten Cannabis-Produzenten. Erst im März brachten die Kanadier in Deutschland einen neuen Vollextrakt auf den deutschen Markt.
Auf Platz zwei folgt mit drei Losen die Deutschland-Tochter des ebenfalls kanadischen Unternehmens Aphria. 2014 gegründet ist der Cannabishersteller in den letzten Jahren vor allem durch eine Menge Zukäufe aufgefallen. Laut Jahresbericht 2018 entstammen bisher 90 Prozent der jährlichen Produktion einer einzigen Großanlage im kanadischen Leamington.
Insgesamt hatten 79 Bieter und Bietergemeinschaften im Ausschreibungsverfahren Angebote abgegeben – beim ersten Anlauf, den das Oberlandesgericht Düsseldorf im März 2018 stoppte, waren es noch 118. Die Gewinner können nun in den nächsten Jahren mit Millionenumsätzen rechnen. Bisher wird medizinisches Cannabis aus dem Ausland nach Deutschland importiert – wobei das BfArM keine zentrale Steuerungsfunktion hat. Daran wird sich auch mit der eigenen Produktion nichts ändern. Die wiederum wird von der beim BfArM angesiedelten Cannabisagentur erworben und dann an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler oder Apotheken verkauft.