Zwei Rezeptsammler in einem Ort

Das Pick-up-Rennen ist gestartet

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Berlin -

Cappenberg hat keine eigene Apotheke, doch die rund 2000 Einwohner können sich über die Arzneimittelversorgung nicht beklagen. Neuerdings gibt es gleich zwei Rezeptbriefkästen im Ort – eine beim Bäcker, eine im Dorfladen. Zwei Apotheken aus den Nachbarstädten konkurrieren um die Bestellungen.

Dr. Matthias Oehlmann betreibt in Lünen, nördlich von Dortmund, die Marien-Apotheke. Er wohnt in Cappenberg, das noch einmal 9 Kilometer nördlich liegt. Und im hiesigen Dorfladen, der erst vor anderthalb Jahren neu eröffnet hat, betreibt er seit zwei Wochen einen wie er es nennt „Rezeptbriefkasten“. Der kleine Lebensmittelhändler ist der zentrale Nahversorger am Ort, einen anderen Supermarkt gibt es nicht. Oehlmann hat den Ortsteil des nördlich gelegenen Selm immer schon viel beliefert. Da lag die Installation des Briefkastens für ihn nahe, teilweise übernimmt er sogar selbst die Fahrten.

Kunden des Dorfladens können dort Rezepte in einen Umschlag stecken, diesen beschriften und einwerfen, auch rezeptfreie Medikamente können so bestellt werden. Die Lieferung nach Hause ist in der Region kostenlos, die Kunden können ihre Medikamente auch im Dorfladen abholen. Was bis mittags bestellt wird, wird noch am selben Tag ausgefahren, lautet das Versprechen.

Auch in den Cappenberger Backstuben können Rezepte eingeworfen und Bestellungen abgegeben werden. Beliefert wird diese Sammelstelle allerdings von der Bären-Apotheke in Selm. Inhaberin Tanja Adick hat hier bereits ihren vierten „Lila Service Point“ installiert. So heißen die von der Kooperation der Bären-Apotheken entwickelten Sammelboxen. Adick ist auch in einem Edeka, bei Rewe und in einer Tankstelle aktiv.

Früher war die Rezeptsammlung außerhalb der Apotheke nicht so leicht: Rezeptsammelstellen müssen beantragt werden und werden nur in Gegenden mit echter Unterversorgung von der Aufsicht genehmigt. Doch das hat sich mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerwG) aus dem April 2020 grundlegend geändert.

Pick-up-Stellen von Versandapotheken hatten die Leipziger Richter schon 2008 für zulässig erklärt. Damals ging es um die Kooperation der Europa Apotheek Venlo (heute Shop Apotheke) mit der Drogeriekette dm. In der Folge wurde aber noch darüber gestritten, ob Apotheken diesen Service auch unter Einsatz ihres Botendienstes anbieten dürfen. Dürfen sie, entschied das BVerwG im April. Auch dabei handele es sich um eine Spielart des Versandhandels, der damit auch lokal begrenzt zulässig ist. Voraussetzung ist die Versanderlaubnis.

Die ADHOC-Berichterstattung über das Urteil hat bei Peter Eiberger und Justus Höcke den Anstoß gegeben, das Thema für die Bären-Apotheken auszurollen. Beide sind Geschäftsführer und Gesellschafter der BP APO Consulting, die hinter der Kooperation steht. Drei der 24 Bären-Apotheken haben bereits Service Points installiert, insgesamt gibt es bislang zehn davon. Den juristischen Segen hat Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas erteilt, der das Modell geprüft hat.

Die ersten „Lila Service Points“ hat Apothekerin Laura Höcke aufgestellt. Die Schwester des Geschäftsführers betreibt in Nordkirchen ihre Apotheke und hat Sammelstellen im benachbarten Südkirchen und Capelle, in einem Supermarkt und einer Filiale der Volksbank. Etwa eine Handvoll Rezepte täglich werden Justus Höcke zufolge eingeworfen. Es geht vor allem um das Marketing und in der Fläche präsent zu sein. Gerade mit Einführung des E-Rezepts sei es wichtig, die Kunden daran zu erinnern, dass sie nicht in die Apotheke gehen müssen, um dort einzukaufen, ergänzt Eiberger.

Dass sich Apotheken mit Rezeptsammelstellen „im Revier“ des Nachbarn gegenseitig das Leben schwer machen werden, erwartet Eiberger nicht. Doch um die besten Standorte für die Boxen könnte durchaus ein Wettbewerb entstehen. Eiberger glaubt aber, dass sich das „ausmendeln“ wird. Jeder Einzelhändler sei bemüht, seinen Service aufzupeppen. Bekannte Marken hätten hier bessere Möglichkeiten, zum Zug zu kommen. „Insofern glaube ich, dass das ein Markt ist, der sich selbst regulieren wird.“ Bislang mussten die Bären-Apotheken zumindest noch nicht für das Aufstellen ihrer Sammelboxen bezahlen. Je mehr Apotheker einen entsprechenden Service im lokalen Wettbewerb anbieten, könnte sich das aber ändern.

Cappenberg nähert sich schon dieser Situation – vom weißen Fleck zur Überversorgung. Apothekerin Adick und ihr Kollege Oehlmann behaupten beide, zuerst vor Ort gewesen zu sein und konkurrieren jetzt um die Rezepte. Oehlmann ist überzeugt, den besseren Standort zu haben, schon wegen der sehr guten Öffnungszeiten des Dorfladens: wochentags von 7 bis 19 Uhr mit Mittagspause, samstags von 7 bis 13 Uhr und sogar sonntags von 8 bis 11 Uhr. Adick setzt auf die bekannte Marke der Kooperation.

 

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